Lucy in the Sky
es mir lieber, wenn Amy nicht da wäre, aber ich bin froh, dass wir uns wenigstens noch nicht endgültig verabschieden müssen.
»Nathan und ich haben aber nicht mehr viel Zeit, wenn wir die letzte Fähre noch erwischen wollen«, klärt Amy mich auf. Irgendwie wirkt sie zuversichtlicher als vorhin, und ich weiß nicht, warum.
Nathan winkt ein Taxi heran und öffnet die Tür, während Amy und ich einsteigen. Sie bleibt in der Mitte sitzen. Offensichtlich erwartet sie, dass Nathan von der anderen Seite einsteigt, aber er bittet sie durchzurücken. Zögernd tut sie es, und jetzt sitze ich in der Mitte.
»Harbour Rocks Hotel bitte«, sage ich dem Fahrer. Unterwegs sagt keiner etwas. Nathans Bein drückt sich warm an meines, und ich spüre, wie sich seine Brust bei jedem Atemzug hebt und senkt. Ich zittere innerlich. Am liebsten würde ich einfach seine Hand nehmen. Er sieht in die andere Richtung, nicht zu mir, sondern aus dem Fenster. Als ich seinem Blick folge, sehe ich die City über uns aufragen.
Nathan besteht darauf zu bezahlen und kommt dann zu meiner Tür zurück, um mir beim Aussteigen zu helfen, obwohl ich schon halb auf dem Gehweg stehe. Als er meinen nackten Arm berührt, habe ich das Gefühl, zu brennen. Ob ich auch so fühlen werde, wenn wir uns das nächste Mal sehen? Ob ich jemals wieder für einen Menschen so etwas empfinden werde?
Zu dritt gehen wir zur Rezeption, und die beiden warten, während ich einchecke. Amy tritt ungeduldig von einem hohen Absatz auf den anderen.
»Du solltest morgen früh unbedingt noch das Gumnut Café zum Frühstücken ausprobieren. Das ist gleich hier um die Ecke. Da war ich oft mit meinem Dad.«
»Okay.« Ich lächle ihn an.
»Lass uns jetzt lieber gehen«, drängelt Amy. »Sonst verpassen wir die Fähre.«
Er wendet sich mir zu. »Ist das morgen für dich okay?«
»Ja. Hier find ich ganz einfach ein Taxi.« Ich zeige zum Ausgang.
»Na gut.«
Einen Moment lang ist es etwas unangenehm. Sollen wir uns umarmen? Oder küssen? Ich wende mich stattdessen Amy zu.
»Bye Amy.« Sie umarmt mich kurz.
Dann kommt Nathan an die Reihe.
»Bye«, sage ich, er beugt sich zu mir herunter, und wir halten uns unter Amys wachsamem Blick kurz und unkonzentriert in den Armen. Dann wendet er sich ab, und die beiden gehen nebeneinander zum Ausgang. Sie schaut ihn an, er schaut nicht zu mir zurück, und ich sehe ihnen nach, wie sie durch die Glastür verschwinden.
Aber dann ist Nathan auf einmal wieder da, und mein Herz jubelt.
»Jetzt hätte ich doch fast vergessen, dir das hier zu geben«, sagt er und drückt mir etwas in die Hand. Als ich hinschaue, erkenne ich die Kassette aus seinem Auto.
»Nathan … « Ich lege die Hand auf seine Brust. Jetzt könnte ich ihn bitten zu bleiben. Ich könnte ihn bitten, mit mir auf mein Zimmer zu kommen.
»Bye, Lucy«, sagt er, beugt sich zu mir und küsst mich auf den Mundwinkel. Und dann ist er verschwunden. Endgültig.
Ich blicke auf die Kassette in meiner Hand, raffe meinen silbernen Rock und eile die Treppe hinauf, den Korridor entlang zu meinem Zimmer, wo mein Koffer wartet.
Ich setze mich aufs Bett, stehe aber gleich wieder auf und ziehe die Schuhe aus. Mechanisch öffne ich den Reißverschluss an meinem Kleid, streife es ab und lege es über einen Stuhl. Dann öffne ich den Koffer und hole die Kosmetiktasche heraus. Langsam und gewissenhaft schminke ich mich ab, wobei ich unverwandt in den Spiegel starre. Schließlich ziehe ich die Klammern aus meinen Haaren, sodass die Locken auf meine Schultern fallen, nehme die Diamantohrringe ab und lasse sie achtlos in meinen Schmuckbeutel fallen. Nachdenklich setze ich mich wieder aufs Bett. Ich bin allein. Die Erkenntnis tut so weh, dass ich mein Gesicht in den Händen vergrabe und zu schluchzen beginne, so leise, dass ich fast daran ersticke.
Kapitel 9
Als ich aufwache, sind meine Augen geschwollen, und es fühlt sich an, als hätte sie mir jemand ausgekratzt. Trotzdem schaffe ich es, nochmal einzudösen, bis um Viertel vor zehn mein Handy klingelt. Nathan? Ich sehe nach. Nein, es ist die Weckfunktion, die ich gestern noch eingestellt habe.
Da ich gegen Mittag zum Flughafen aufbrechen muss, gehe ich unter die Dusche und packe im Schneckentempo. Dann schleife ich mein Gepäck nach unten, eine Stufe nach der anderen, und checke aus. Meinen Koffer lasse ich noch an der Rezeption, wandere aus dem Hotel und mache mich auf die Suche nach dem Gumnut Café.
Als ich mich draußen an einen Tisch
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