Lucy in the Sky
größere Menschenmenge schart. Plötzlich fangen zwei neun- oder zehnjährige Mädchen an mitzutanzen. Alexej, das männliche Bandmitglied von Titteesh, stößt einen Jauchzer aus und fordert sie euphorisch auf, mit ihnen gemeinsam einen hüpfenden Kreis zu bilden.
Mockah Chockah hot!
Mockah Chockah slow
Mockah Chockah now!
Go! Go! Go!
Während sie weiterträllern, reihen sich immer mehr Kids ein, gefolgt von ein paar kichernden Studenten. Die weiblichen Bandmitglieder Regina und Varvara begrüßen zusammen mit Alexej jeden Neuling mit begeistertem Jubel. Regina, die Blonde, zieht mich ebenfalls in den Kreis. Ich mache gute Miene zum bösen Spiel, stürze mich mit in den Irrsinn, und die Menschenmenge wächst immer weiter.
Am Buckingham Palace ist es das Gleiche, nur gibt es hier auch noch die Wachen, die sich alle Mühe geben, nicht zu uns herüberzuschauen – was die Angelegenheit umso witziger macht.
Als der Tag vorüber ist, kriegen Chloe und ich das bescheuerte Lied nicht mehr aus dem Kopf. Noch nachts beim Einschlafen singe ich es vor mich hin, und als ich morgens aufwache gleich wieder. In der Dusche schmettere ich es sogar laut.
»Lucy, hör auf damit!«, ruft James aus dem Schlafzimmer.
We like Mockah Chockah
Like the way you move …
»Ich meine es ernst!«, ruft er.
Aber ich kann nicht aufhören. Das muss man ihnen lassen: Der Song ist ein echter Ohrwurm.
»Du hast doch gerade nicht etwa
Q Magazine
angerufen?«, rufe ich am Dienstagmorgen entsetzt, als Gemma den Telefonhörer auflegt. Wie peinlich! »Was haben sie gesagt?«
»Nein danke.«
»Was für eine Überraschung.«
Wahrscheinlich mache ich gerade die surrealste Woche meines Lebens durch. Während ich die sicherlich affigste und geschmackloseste Band der Welt zu jeder Zeitschriften- und Zeitungsredaktion begleite, erinnere ich mich immer wieder daran, dass Nathan vorhat, nach London zu kommen. Jedes Mal, wenn ich an ihn denke, durchfährt mich ein nervöser Schauer, aber ich versuche, mich nicht allzu sehr darauf einzulassen. Vielleicht passiert es ja gar nie.
Am Donnerstag begleiten Chloe und ich Alexej, Varvara und Regina zum Start einer Viertagestour mit Auftritten in Manchester, Birmingham, Glasgow und Cardiff. Staunend sehen wir zu, wie die drei die gesamten Tanzflächen dazu bringen, sich ihrem seltsamen Gehüpfe anzuschließen.
Als wir am Sonntagabend wieder in London eintreffen, sind wir beide erschöpft, dabei haben wir mit der Fernseh- und Radiopromotion noch nicht mal angefangen. Am nächsten Morgen soll die Single rauskommen.
Die nächste Woche vergeht ebenfalls in einem Promotion-Nebel. Auf der YouTube-Website haben wir über 150 000 Zugriffe, und die Sache gewinnt immer mehr an Fahrt. Am Dienstagmorgen ruft Mandy mich zu sich. Sie sitzt an ihrem Schreibtisch und kann das Lächeln auf ihrem Gesicht nicht verbergen.
»Sieh dir das mal an«, sagt sie und deutet auf den Bildschirm. Gerade sind die Single-Charts der Wochenmitte eingegangen. Titteesh streben mit ihrem »Mockah Chockah« direkt auf Platz eins zu. Sie liegen 30 000 verkaufte Scheiben vor ihrem nächsten Konkurrenten. Eine absolute Sensation.
»Ich glaube, es ist Zeit, die Champagnerkorken knallen zu lassen, meinst du nicht auch, Lucy?« Sie grinst mich an.
»Ich weiß nicht«, grinse ich zurück. »Wir wollen die Sache doch nicht verhexen … «
Aber die Single verkauft sich weiterhin wie blöde, die Download-Zahlen sind unfassbar hoch. Zwar stöhnen die Radio-DJs jedes Mal, wenn sie den Song spielen, aber sie müssen es tun, weil er ja auf der Songliste jedes Senders steht. Das ganze Vereinte Königreich scheint in den »Mockah Chockah«-Wahn verfallen zu sein.
Am Freitag verkündet Mandy, dass ein paar Gläser Champagner garantiert nichts mehr verhexen werden – nichts kann mehr verhindern, dass die Single am Sonntag auf Platz eins der Hitliste steht. Mandy öffnet den Sekt und lächelt sogar noch, als das Zeug sich über den Teppich ergießt.
»Auf Lucy!«, ruft sie und hebt ihr Glas. »Wenn jemand das schaffen konnte, dann du, das wusste ich. Und auf Chloe und Gemma. Ihr Mädels habt super Arbeit geleistet. Echt. Hervorragend.«
Als ich mich an diesem Abend mit Karen und Reena vor dem Theater treffe, schwebe ich immer noch auf Wolken – so viel Champagner und dann noch das ganze Lob! Heute sehen wir uns
Dirty Dancing
an. Es gibt nur eine sehr kurze Pause, deshalb können wir uns erst später unterhalten, als wir gemütlich in einer
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