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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Ich wußte mit Sicherheit, daß ich mich nicht einmal dann in ihn verlieben könnte, wenn ich Daniel damit was auch immer beweisen wollte.
    Während des Schlafs schlich sich wieder die panische Angst ein, Daniel könnte eine neue Freundin haben. Ich war sicher, daß mein sechster Sinn die Beklemmung vom Vorabend ausgelöst hatte. Sie war nicht mehr eine bloße Vermutung, sondern hatte sich in eine Vorahnung verwandelt.
    Während ich mich zum Ausgehen fertigmachte, versuchte ich mir gut zuzureden. Ich war mir sicher, daß ich nicht hinter Daniel her war. Von ihm ging für mich weder eine sexuelle noch sonst eine Verlockung aus. Sogleich kamen mir wieder Erinnerungen an den bewußten Kuß, aber ich erstickte sie im Keim. (Ich besaß nach wie vor eine ausgeprägte Fertigkeit darin, Dinge zu unterdrücken, die mir unangenehm waren – sehr praktisch.) Aber vielleicht war ich von seiner Freundschaft zu abhängig geworden? Vielleicht hatte ich mich unter dem Eindruck der Nachwehen des Zerfalls meiner Familie zu eng an ihn angeschlossen? Sofern das so war, mußte damit Schluß sein.
    Ich war mit mir zufrieden, weil ich so vernünftig war. Allerdings hielt das nicht lange vor, und gleich darauf setzte die Panik wieder ein. Und wenn er gerade jetzt mit ihr im Bett liegt? dachte ich.
    Schließlich rief ich ihn an; ich konnte einfach nicht anders. Ich tat so, als wollte ich mich vergewissern, wo und wann wir uns treffen würden – als ob ich nicht genau gewußt hätte, daß wir uns um zwei Uhr am U-Bahnhof Green Park verabredet hatten. Zu meiner Erleichterung klang es nicht, als habe er eine Frau neben sich im Bett. Sicher konnte ich aber nicht sein – Daniels Leben war kein Klamaukfilm, in dem Frauen im Bett kreischten und kicherten.
    Es war ein wahrer Segen, daß ich bei Karen in Ungnade gefallen war, denn so brauchte ich mir keine durchtriebene Entschuldigung auszudenken, als ich zu meiner Verabredung mit Daniel ging. Wären wir nicht verkracht gewesen, hätte sie bestimmt Verrat gewittert, denn ich hatte mich richtig aufgedonnert, damit mich Daniel nicht etwa für eine Versagerin hielt. Mein superkurzes Hemdblusenkleid mit dazu passendem weitschwingenden Mantel bot keinen angemessenen Schutz vor der beißenden Märzkälte, aber das war mir gleichgültig. Mein Selbstwertgefühl würde mich wärmen.
    Daniel wartete zur vereinbarten Zeit am angegebenen Ort. Während ich in meinen hochhackigen Schlangenlederpumps bibbernd auf ihn zuwankte, lächelte er mich so strahlend an, daß ich fast umgeknickt wäre. Ich ärgerte mich – und war zugleich argwöhnisch. Was gab es da so breit zu grinsen? War es die Freude über eine Neueroberung? Ließ ihn das Hochgefühl nach dem Koitus so hinreißend aussehen?
    »Lucy, du siehst wunderschön aus.« Als er mir die Wange küßte, kribbelte es auf meiner Haut.
    »Frierst du nicht?« fragte er.
    »Nicht die Spur«, sagte ich wegwerfend, während ich ihn unauffällig musterte, um zu sehen, ob er Knutschflecken, Kratzspuren, eine aufgesprungene Lippe o. ä. hatte.
    »Wohin gehen wir?« fragte er.
    Ich konnte an ihm keine erkennbaren Hinweise auf sexuelles Treiben in jüngster Zeit entdecken, doch da er größtenteils in einem Wintermantel steckte, war das noch kein Anlaß für einen Seufzer der Erleichterung.
    »Es ist eine Überraschung«, sagte ich, während ich mich fragte, ob er den Mantelkragen hochgeklappt hatte, um Knutschflecken zu kaschieren. »Komm schnell, mir ist kalt!«
    Verdammt! Unsere Blicke trafen sich, und es zuckte um seine Mundwinkel, während er versuchte, nicht zu lachen.
    »Untersteh dich«, drohte ich.
    »Ich denke nicht im Traum daran«, sagte er kleinlaut.
    Ich führte ihn in die Arbroath Street und sagte vor dem großen Fenster des Shore : »Hier!«
    Er war beeindruckt, und ich freute mich. Shore war eines von Londons jüngsten In-Restaurants, in das Models und Schauspielerinnen gingen. Jedenfalls stand das in den Illustrierten. Das würde mein erster und wahrscheinlich letzter Besuch dort sein.
    Kaum hatten wir das Shore betreten, als ich sah, wie ›in‹ es war. Man merkte es an der Ruppigkeit der Bedienung.
    Der junge Mann am Eingang sah mich mit so finsterer Miene an, als hätte ich mich auf die Schwelle gehockt und Wasser gelassen.
    »Ja?« zischte er.
    »Einen Tisch für zwei auf den Namen...«
    »Haben Sie reserviert?« blaffte er mich an. Ich hatte den Impuls zu antworten: »Hör mal, du Arsch, du empfängst hier nur die Gäste. Tut mir leid, daß ich

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