Lucy Sullivan wird heiraten
schon.«
Wieder schwieg er.
»Lucy, ich bin zu dem Ergebnis gekommen, daß es nahezu mit Sicherheit – natürlich kann man sich bei so was immer irren, aber das nehm ich auf meine Kappe – nahezu mit Sicherheit Tag ist. Mit siebenundachtzigprozentiger Wahrscheinlichkeit. Vielleicht sind es auch nur vierundachtzig Prozent.«
»Da dürftest du recht haben.«
»Ich würde gern deine Ansicht zu der Frage hören, wie spät es ist, Lucy.«
»Vermutlich so gegen zwei.«
»Großer Gott!« Er sprang von der Bank auf. »Schon so spät? Dann komm, wir müssen uns ranhalten!«
»Wovon redest du?« kicherte ich, während er mich hinter sich durch den Park zerrte.
»Sperrstunde, Lucy. Ein häßliches Wort. Ein schändliches und abscheuliches Wort«, sagte er und hätte dabei beinahe ausgespien. »Schändlich! Die Kneipen machen heut nachmittag um drei zu und erst um sieben wieder auf – hab ich recht?«
»Ja.« Ich versuchte mit ihm Schritt zu halten, »außer sie haben heute morgen das Gesetz geändert.«
»Hältst du das für möglich?« fragte er und blieb unvermittelt stehen.
»Nein.«
»Also vorwärts«, sagte er und rannte fast. »Uns bleibt nur eine Stunde.«
27
W ir hielten bei der ersten Kneipe, die wir sahen, als wir aus dem Park kamen. Sie sah nicht allzu heruntergekommen aus, und das war auch gut so, denn ich hatte das Gefühl, daß Gus auch dann von mir erwartet hätte, mit ihm hineinzugehen, wenn der Dachstuhl eingebrochen und die Wände eingestürzt gewesen wären.
An der Tür legte er mir die Hand auf den Arm. »Lucy, es tut mir leid, aber ich fürchte, du mußt diese Unternehmung finanzieren. Ich krieg meine Stütze am Dienstag und geb’s dir dann zurück.«
»Äh... äh... von mir aus.«
Mein Herz rutschte einen Stock tiefer, aber ich hielt es fest, bevor es auf dem Boden aufschlug. Schließlich war es nicht Gus’ Schuld, daß ich ihn an einem Wochenende kennengelernt hatte, an dem er gerade blank war.
»Was möchtest du denn trinken?« fragte ich ihn.
»’ne Halbe.«
»Eine bestimmte Sorte?«
»Natürlich Guinness...«
»Natürlich.«
»... und ’nen kleinen Whiskey«, fügte er hinzu.
»’nen kleinen Whiskey?«
»Jameson, ohne Eis.«
»Äh, in Ordnung.«
»Aber ’nen doppelstöckigen«, fuhr er fort.
»Was?«
»’nen doppelstöckigen Kleinen.«
»Was?«
»’nen doppelstöckigen Jameson. Die doppelte Menge.«
»Ach so. Wird gemacht.«
»Ich hoffe, es stört dich nicht, aber ich halte nichts davon, Dinge nur halb zu tun«, sagte er entschuldigend.
»Ist schon in Ordnung«, sagte ich matt.
»Und du nimmst, was du willst«, fügte er hinzu.
»Hm, danke.«
Karen hätte das sarkastisch gesagt, aber ich sagte es, als ob ich tatsächlich ›hm, danke‹ meinte. Typisch.
»Gleich da vorne ist ein Tisch. Ich halt ihn für uns besetzt, während du die Drinks holst.«
Ich stellte mich an den Tresen und war einen Augenblick lang schwermütig, verbot mir das aber. Es war albern von mir. Am Dienstag würde er Geld haben.
»Und vielleicht noch ’n paar Chips«, ertönte Gus’ Stimme in meinem Ohr.
»Mit was drauf?«
»Mit Salz und Essig.«
»In Ordnung.«
»... und falls die hier Rindfleisch mit Senf haben...«
»Ist so gut wie erledigt.«
»Bist ein braves Mädchen.« Für mich selbst bestellte ich eine bescheidene Cola light.
Gus hatte den halben Liter Guinness und den doppelten Whiskey hinuntergekippt, bevor ich meine Cola ausgetrunken hatte. Eigentlich waren seine Gläser fast schon leer, als ich mich setzte.
»Wir gönnen uns noch einen«, kündigte er an.
»Ganz meine Meinung.«
»Bleib, wo du bist«, sagte er liebenswürdig. »Gib mir einfach das Geld, und ich hol das Zeug.«
»Gut«, sagte ich, angelte in meiner Handtasche nach der Geldbörse, die ich gerade eingesteckt hatte, und nahm eine Fünf-Pfund-Note heraus.
»Fünf von diesen irdischen Pfunden?« fragte er zweifelnd. »Bist du sicher, daß das reicht, Lucy?«
»Ja«, sagte ich entschlossen.
»Willst du denn nichts?«
»Doch!«
Während er fort war, trank ich rasch den Rest meiner Cola aus. Ich beschloß, für den Fall, daß er mir das Wechselgeld nicht unaufgefordert zurückgab, ihn zu... ihn zu... ich weiß nicht...
»Hier ist das Wechselgeld, Lucy.«
Ich hob den Blick von meinem leeren Glas, in das ich trübselig gestarrt hatte. Gus sah mich besorgt an. Auf seiner offenen Handfläche lagen einige Pennies.
»Danke«, lächelte ich und nahm alle dreizehn oder wieviel auch immer es waren.
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