Lucy und Olivia 04 - Die Vampirverschwoerung
Europa.«
Das stimmt , dachte Olivia.
»Ich würde dir Muffins bringen«, sagte sie. »Und wir könnten uns am Telefon durch die Plexiglasscheibe hindurch unterhalten wie in den Filmen.«
Kurz danach sahen Olivia und Lucy wieder so aus wie sie selbst und rannten den Gang entlang zur Sozialkundestunde.
»Kann ich dich um einen Gefallen bitten?«, fragte Olivia, als ihr der vergangene Abend mit ihrem Vater wieder einfiel.
»Was du willst«, sagte Lucy. »Solange ich nicht zum Cheerleading-Training gehen muss.«
Olivia senkte die Stimme, während sie sich einen Weg durch die geschäftige Menge bahnten. »Können wir heute Abend noch mal die Rollen tauschen?«
»Zwei Abende hintereinander?«, erwiderte Lucy. »Da wird meine Haut ja ganz rosa!«
Olivia lächelte. »Unser Dad verhält sich mir gegenüber immer so komisch, weil ich ein Mensch bin. Aber wenn ich mich als dich ausgebe, ist er viel entspannter. Das sind die einzigen Momente, in denen ich sein wahres Ich kennenlernen kann. Er will heute Abend den Weihnachtsbaum schmücken.«
Lucy verdrehte die Augen. »Das wird Stunden dauern.«
»Es würde mir viel bedeuten«, sagte Olivia sanft.
Vor der Tür zum Klassenzimmer blieben sie stehen.
»Natürlich«, willigte Lucy ein. »Etwas mehr Zeit bei dir zu Hause zu verbringen, ist schließlich nicht so schlimm, wie einen Pfahl im Herzen zu haben. Deine Mutter kommt mir langsam schon ganz wie meine vor.«
»Danke, Lucy«, sagte Olivia froh. »Das ist vielleicht die letzte Gelegenheit für mich, mit ihm zusammen zu sein.«
»Nicht, wenn ich es verhindern kann!«, sagte Lucy mit fester Stimme.
Olivia lächelte über Lucys Entschlossenheit und folgte ihr dann ins Klassenzimmer, um ihre Sozialkundeprüfung zu schreiben.
Als die Schule aus war, saß Lucy fröstelnd auf der Treppe und wartete darauf, dass Olivias Mutter sie abholen kam. Sie wackelte in Olivias blauen Wildlederstiefeln mit den Zehen, um sie warm zu halten. Ab und zu ging jemand an ihr vorbei die Treppe hinunter und sagte: »Schöne Ferien, Olivia.«
»Tschüs«, erwiderte Lucy traurig.
Sie war so damit beschäftigt gewesen, für die Prüfungen zu lernen und ihren Vater davon zu überzeugen, nicht wegzuziehen, dass der letzte Schultag sie total überrumpelt hatte. Erst als sie sich auf der Treppe niedergelassen hatte, war ihr so richtig bewusst geworden, dass das möglicherweise ihre letzten Minuten an der Franklin-Grove-Schule waren. Was, wenn das mit der Stelle im Museum nicht klappt?, überlegte sie.
Kurz bevor sie rausgegangen war, hatte sie in der Bücherei noch mal nach ihren E-Mails gesehen, und sie hatte immer noch keine Antwort von Mr Grosvenor bekommen.
Lucy warf einen Blick über die Schulter auf die majestätische Silhouette der Schule vor dem grauen Nachmittagshimmel. Ihr Vater und sie waren nach Franklin Grove gezogen, als sie noch ein Baby gewesen war. Sie kannte nichts anderes. Kein Internat in Luxemburg kann mit diesem Ort hier mithalten, dachte sie.
Eine Reihe von Gesichtern zog an ihrem inneren Auge vorbei. Olivia, wie sie ihr ganz rosa und munter an ihrem ersten Tag im Gang begegnet war; Brendan, wie er unglaublich gut aussehend an den Schließfächern lehnte und sie gefragt hatte, ob sie seine Freundin sein wolle; Sophia, wie sie aufgeregt mit ihrer Kamera auf und ab sprang und mal wieder ein wichtiges Klotreffen einberief. In fünf Tagen sollte sie alle Leute zurücklassen, die ihr so viel bedeuteten: ihre beste Freundin, ihre Schwester, ihren Freund. Sie fühlte sich, als würde man ihr Grab aufgraben und sie von dem Ort entführen, an dem sie bis in alle Ewigkeit hatte bleiben wollen. Plötzlich merkte Lucy, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Nicht heulen, befahl sie sich. Wenn du jetzt weinst, verschmiert der Selbstbräuner. Außerdem sind es immer noch fünf Tage. Es ist noch nicht alles verloren!
Vor ihr hielt das Auto von Olivias Mutter. Lucy fasste sich wieder, griff nach Olivias Tasche und hüpfte die Treppe hinunter.
Als sie in den Wagen stieg, merkte Lucy, dass Mrs Abbott immer noch überglücklich war wegen des wunderbaren Effekts, den Wicked auf ihre Tochter gehabt hatte. Die Musik des Musicals tönte aus dem CD-Spieler.
»Da dir das Musical so gut gefallen hat, bin ich losgegangen und habe den Soundtrack für dich gekauft!«, sagte Audrey.
Ihre Begeisterung war ansteckend und kurz darauf sangen Lucy und Olivias Mutter aus vollem Hals mit.
Sophia und Brendan würden tot umfallen, wenn sie sehen
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