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Lucy

Lucy

Titel: Lucy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Gonzales
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Kojoten heulten in der Ferne. Sie folgte ihren Rufen, und sie führten sie an eine Stelle, wo sie einen kleinen Tunnel unter den Zaun um das Gelände des Forschungszentrums herum gegraben hatten. Lucy zwängte sich hindurch und lief weiter.
    Das Bild von dem tot im Käfig daliegenden Mann spukte in ihrem Kopf herum. Nach einiger Zeit bemerkte sie einen Einschnitt in den Bäumen und näherte sich ihm vorsichtig. Am Rand des Waldes befand sich ein Tennisplatz. Sie ging näher heran. Der Platz war Teil eines Anwesens. In einiger Entfernung lag ein großes, von Sicherheitsleuchten angestrahltes Lehmziegelhaus. Zwischen Bäumen entdeckte sie ein kleines Häuschen. Sie lief darauf zu.
    Es war auch aus Lehmziegeln gemacht und hatte mit Jalousien verhängte Fenster. Die Tür war unverschlossen, und Lucy ging hinein. Sie konnte riechen, dass Chlor in der Luft hing. Es war ein Duschhäuschen. In der Dunkelheit tastete sie sich an der Wand entlang und bekam dabei Schränke, Regalfächer und Haken an gekachelten Wänden zu fassen. Sie begann die Schränke zu öffnen, einen nach dem anderen, und nach einiger Zeit fand sie eine Jeans. Lucy ließ ihren Patientenkittel fallen und zog sie an. Die Hose war zu groß, aber es musste |372| gehen. Sie schnallte den Ledergürtel so eng wie möglich. Auf der Suche in den übrigen Schränken entdeckte sie ein T-Shirt und dann noch Tennisschuhe. Auch die waren zu groß, aber sie zog sie trotzdem an. Ihre Fußsohlen waren weicher geworden, seit sie den Dschungel verlassen hatte, und sie spürte, wie ihr Blut in den Schuhen feucht klebte.
    Auf dem Weg zurück zur Tür fuhr sie mit der Hand über die Haken an der Wand, bis sie eine Baseballkappe gefunden hatte. Sie regulierte die Weite und setzte sie auf. Dann griff sie nach dem Patientenkittel, rannte zurück über den dunklen Tennisplatz und verschwand wieder zwischen den Bäumen.
    Sie lief so tief in den Wald hinein, wie sie nur konnte. Das Adrenalin hatte sie bis hierher gebracht, doch jetzt musste sie unbedingt schlafen. Sie vergrub den Patientenkittel in der Erde und prüfte die Baumkronen über sich, aber die Äste waren nicht kräftig genug, um ein Nest zu tragen. Als sie schließlich auf dem Waldboden lag, spürte sie, wie ihre Anspannung nachließ. Es war alles so schnell gegangen, dass sie zum Nachdenken keine Zeit gehabt hatte. Erst jetzt, als ihre Muskulatur sich entspannte, begannen ihre Gedanken zu rasen, und einer kehrte immer wieder: Ich habe einen Menschen getötet.
    Ein Leben lang war ihr beigebracht worden, dass sie nicht töten sollte, und jetzt hatte sie einen Mord begangen. Das schlimmste Verbrechen der Welt. Ein Gefühl von Abscheu breitete sich in ihr aus, als das Bild des toten Mannes noch einmal vor ihr aufstieg. Sein Blut. Sein flehender Blick. Sie dachte an ihren Vater und empfand Trauer und Wut. All sein Predigen und Bemühen, umsonst. So weit war es nun gekommen. Am liebsten hätte sie geschrien: Warum hast du mir das nur angetan? Aber sie dachte auch: Wer wenn ich schriee, hörte mich denn? Sie hasste, was aus ihr geworden war. Sie konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, wer sie gewesen |373| war, bevor sie ihre Krallen in sie schlugen. Der Habicht. Der Habicht hatte sie erwischt. Aber es war ihr gelungen, zu fliehen. Jetzt wollte sie unbedingt einen Weg zurück finden. Aber zurück wohin, fragte sie sich. Würde sie je einen sicheren Ort finden, an dem sie in Frieden leben konnte?
    Dann schlief sie schließlich ein. Als sie wieder aufwachte, saß sie regungslos da und wartete auf den Sonnenaufgang. Er kam, als die Vögel zu singen begannen. Sie tauchte ein in den Großen Strom und wartete. Dem, was die Vögel und die Tiere sagten, entnahm sie, dass keine Menschen in der Nähe waren. Sie suchte einen Pinienbaum und aß einige Pinienkerne. Und dann begann der ganze Wald in einer Schönheit zu erstrahlen, die beinahe wehtat nach ihrer Zeit in der Gefangenschaft. Die alten Baumstämme standen da, knorrig und dunkel, und die glänzenden grünen Blätter schienen alles Licht zu sammeln und vor Energie zu vibrieren. Gerüche stiegen um sie herum auf.
    Aber Lucy hatte keine Zeit, sich daran zu freuen. Jetzt würde man die Leiche finden und Alarm schlagen. Wenn sie nur wüsste, wie sie aussah und welchen Eindruck sie auf einen Fremden machen würde. Sie musste als amerikanischer Teenager durchgehen. Immerhin war wenigstens die grauenhafte Wunde auf ihrem Kopf bedeckt.
    In einiger Entfernung konnte sie den

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