Ludlum Robert - Covert 01
dass der Präsident grundsätzlich bereit ist, jede Hilfe anzunehmen.«
»Das haben Sie clever gedeichselt.« Victor Tremont lächelte in seinem Büro über dem ruhigen und friedlichen See in den weit entfernten Adirondack Mountains. »Was wird Castilla unternehmen?«
»Er schickt mich mit dem Generalstabsarzt zu Ihnen und dann sollen wir ihm Bericht erstatten.«
»Das ist ja noch besser. Wir werden für Jesse Oxnard eine Show inszenieren, mit der wir unsere wissenschaftlichen Möglichkeiten und unsere Bescheidenheit unter Beweis stellen.«
»Seien Sie vorsichtig, Victor. Oxnard und ein paar andere sind misstrauisch. Weil der Präsident nach jeder positiven Nachricht Ausschau hält, werden sie nur etwas murren. Aber wenn sie den Verdacht schöpfen, dass etwas nicht stimmt, werden sie sich diese Chance nicht entgehen lassen.«
»Sie werden nichts finden, Nancy. Vertrauen Sie mir.« »Und was ist mit diesem Jon Smith? Ist er endlich von der
Bildfläche verschwunden?«
»Darauf können Sie sich verlassen.«
»Ich hoffe es, Victor. Ich hoffe es wirklich.« Die
Gesundheitsministerin beendete das Gespräch und trommelte mit ihren manikürten Fingernägeln auf die Armlehne. Nancy Petrelli war zugleich aufgeregt und besorgt. Aufgeregt, weil alles nach Plan zu laufen schien, und besorgt, weil sie vielleicht irgendeine Kleinigkeit übersehen oder ignoriert hatten und doch noch alles schiefging.
Victor Tremont blickte aus seinem Büro auf die entfernten hohen Adirondack Mountains. Nancy Petrelli hatte er beruhigt, aber er hatte sehr viel mehr Mühe damit, sich selbst zu beruhigen. Nachdem al-Hassan Smith und dessen beide Freunde in den Sierras aus den Augen verloren hatte, waren die drei Männer verschwunden. Er hoffte, dass sie untergetaucht waren und keine weitere Bedrohung mehr darstellten, weil sie um ihr Leben fürchteten.
Aber er durfte keinerlei Risiko eingehen. Nach allem, was er über Smith in Erfahrung gebracht hatte, schien ihm offenkundig zu sein, dass er nicht aufgeben würde. Tremont würde seine Leute weiter nach ihm Ausschau halten lassen. Smith’ Chancen, weiteren Schaden anzurichten oder auch nur zu überleben, standen alles andere als gut.
Tremont schüttelte den Kopf und einen Augenblick lang überlief ihn ein Frösteln. Denn selbst wenn Jon Smith nur eine minimale Chance hatte, blieb ein Mann wie er gefährlich.
26
Mittwoch, 22. Oktober, 8 Uhr 02 Bagdad, Irak
Bagdad, jene Metropole der Gegensätze, die einst als Wiege der Zivilisation galt und zwischen den Flüssen Tigris und Euphrat liegt, schien im Morgenlicht zu vibrieren. Von den türkisfarbenen Kuppeln und Minaretten der exotischen Stadt riefen die Muezzins die Gläubigen zum Gebet. Frauen in langen abayas glitten wie schwarze Pyramiden durch die engen Gänge der Suks auf die modernen Glaswolkenkratzer der Neustadt zu.
Im Lauf der letzten tausend Jahre war die alte Stadt der Mythen und Legenden vielfach besetzt worden - von Arabern, Mongolen und Engländern -, und jedes Mal hatten die Bewohner Bagdads überlebt und am Ende triumphiert. Aber nach einem Jahrzehnt der vor allem von den USA durchgesetzten Sanktionen schien diese lange Geschichte keine Bedeutung mehr zu haben. Im schäbigen Bagdad des Saddam Hussein ging es um den täglichen Kampf um Nahrung, sauberes Wasser und Medikamente. Autos röhrten über die von Palmen gesäumten Boulevards und die Abgase verpesteten die Wüstenluft.
Über all dies hatte Jon Smith nachgedacht, während ihn ein Taxifahrer schnell durch die grauen Straßen chauffiert hatte. Während er bezahlte, blickte er sich vorsichtig in der einst teuren Wohngegend um. Niemand schien allzu neugierig zu sein, aber er gab sich ja auch als Mitarbeiter der Vereinten Nationen aus und trug deren offizielle Armbinde und einen in Plastik eingeschweißten Ausweis an seiner Jacke. Außerdem gab es in dieser unerbittlichen und kampfbereiten Stadt überall Taxis. Das Taxifahren war eine der wenigen Beschäftigungen, zu der die meisten Angehörigen der irakischen Mittelklasse bereit waren: Sie hatten zumindest ein fahrtüchtiges Auto und Saddam Hussein hielt den Benzinpreis niedrig, so dass zehn Liter Treibstoff hier weniger als einer in den Vereinigten Staaten kosteten.
Während der Taxifahrer startete, beobachtete Smith erneut aufmerksam die Straße und schlenderte dann auf die ehemalige amerikanische Botschaft zu. Die Fensterläden waren geschlossen, Haus und Grundstück in einem schlechten Zustand. Alles wirkte verlassen,
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