Ludlum Robert - Covert 02
blies eine Rauchwolke in die kalte Nachtluft. Er war ein guter Befehlshaber und hatte Verständnis dafür, dass man ehrlich sein musste, wenn man Männer führte. Alles andere hatte auf lange Sicht keinen Bestand. Aber in der augenblicklichen Situation hielt er es nicht für klug noch hinzuzufügen, dass in diesem Augenblick eine Iljuschin Transportmaschine der Abteilung für militärische Seucheneindämmung in Moskau bereitgestellt wurde. Falls es dazu kommen sollte, dass diese Maschine startete, war immer noch Zeit, sich zu sorgen.
Der Personenzug, der um Punkt 3 Uhr in Vladimir anhielt, hatte seine Reise fast zweitausend Kilometer weiter im Westen begonnen, in Kolima im Ural Gebirge. Vladimir war sein letzter Halt ein kurzer - vor der folgenden dreistündigen Etappe bis Moskau.
Der Lokführer hatte sich aus dem Fenster seiner Lokomotive gelehnt, als der Zug in die Station dampfte. Ein einziger Passagier stand auf dem Bahnsteig. Dass Vladimir eine planmäßige Haltestelle war, hatte nur den einen Grund, Soldaten mitzunehmen, die auf Urlaub nach Moskau fuhren. Heute würde er den planmäßigen Halt etwas verkürzen.
Die hoch gewachsene, in einen Mantel gehüllte Gestalt regte sich nicht von der Stelle, als der Zug an ihr vorbeirollte. Vielleicht einen Meter von der Bahnsteigkante entfernt, spähte der Mann in die Dunkelheit hinter der schwachen Bahnhofsbeleuchtung.
Iwan Beria, vor achtunddreißig Jahren in Mazedonien geboren, war ein geduldiger Mann. In dem Hexenkessel aus Hass und Blutvergießen des Balkans hatte er aus erster Hand gelernt, was Geduld war: Sein Großvater hatte ihm erzählt, wie die Albaner den größten Teil seiner Familie umgebracht hatten. Und diese Geschichte war so oft immer wieder berichtet worden, dass es den Anschein gewann, als ob diese Ereignisse sich erst gestern zugetragen hätten. Bot sich daher schließlich die Gelegenheit zur Rache, ergriff man sie mit beiden Händen - am besten, indem man sie um den Hals eines Feindes legte.
Beria war zwölf gewesen, als er seinen ersten Menschen getötet hatte. Und damit hatte er weitergemacht, bis all die Blutschuld seiner Familie getilgt war. Als er zwanzig war, hatte er sich einen Ruf als Killer erworben. Andere Familien, deren Söhne oder Männer tot oder verstümmelt waren, traten an ihn heran und boten ihm das Gold, das sie an den Fingern oder um den Hals trugen, als Zahlung für entsprechende Dienste an.
Beria machte Karriere, hörte auf, für Geld Blutrache zu nehmen und wurde zu einem freiberuflichen Killer, dessen Dienste dem Meistbietenden zur Verfügung standen, gewöhnlich dem KGB. Als sich über den Kommunismus das Zwielicht senkte, engagierte der Sicherheitsapparat, im Sinne der Dementierbarkeit, immer häufiger Freiberufler. Und als westliche Investitionen anfingen sich in Russland breit zu machen, interessierten sich dieselben Kapitalisten, die dort Geschäfte tätigen wollten, auch für etwas exotischere Investitionen. Sie suchten einen speziellen Typus Mann, der wegen der weltweiten Computerverbindungen zwischen der Polizei und den Geheimdiensten im Westen immer schwieriger zu beschaffen war. Über seine KGB-Kontakte machte Beria die Erfahrung, dass die Taschen europäischer und amerikanischer Unternehmer sehr tief und wohl gefüllt waren, besonders wenn es sich als notwendig erwies, einen Konkurrenten unschädlich zu machen oder gar auszuschalten.
Im Zeitraum von fünf Jahren entführte Beria über ein Dutzend Geschäftsleute. Sieben von ihnen hatte man getötet, als die entsprechenden Lösegeldforderungen nicht erfüllt wurden. Eine seiner Zielpersonen war ein leitender Mann einer Schweizer Firma, die Bauer-Zermatt hieß. Zu seiner Überraschung stellte Beria fest, dass das von dem Konzern bezahlte Lösegeld das Doppelte der Summe betrug, die er verlangt hatte. Beigefügt war die Aufforderung an Beria, nicht nur den Geschäftsmann freizulassen, sondern einen Wettbewerber von BauerZermatt nachdrücklich die Lust zu nehmen, in Russland Fuß zu fassen. Beria war mit Freuden bereit, dieser Aufforderung nachzukommen, und damit begann seine lange, äußerst profitable Beziehung zu Dr. Karl Bauer.
»Sie da! Steigen Sie ein? Ich muss meinen Fahrplan einhalten.«
Beria sah den dicken rotgesichtigen Schaffner an, dessen zerdrückter Uniform anzusehen war, dass er darin geschlafen hatte. Selbst in der kalten Nachtluft konnte man den säuerlichen Geruch von Alkohol wahrnehmen, der von ihm ausging.
»Sie fahren doch erst in drei
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