Ludlum Robert - Covert 02
bevor er den Palazzo betrat. Seine Köchin und seine Hausangestellte waren beides alte Frauen, die schon seit Jahrzehnten in seinen Diensten standen. Einem Einbrecher hätte keine von beiden Widerstand leisten können, und da der Palazzo genügend Kunstschätze enthielt, um damit ein kleines Museum zu füllen, waren solche Vorsichtsmaßnahmen erforderlich.
Dionetti nahm seine Post, die ihn auf einem Tischchen im Foyer erwartete, schlenderte in den Salon, ließ sich dort auf einem Clubsessel nieder und schlitzte den Brief von der Offenbach Bank in Zürich auf. Er nippte an seinem Aperitif, aß ein paar schwarze Kalamata Oliven und blickte dabei wohlgefällig auf seinen Kontostand. Man konnte über die Amerikaner sagen, was man wollte nicht sehr viel Gutes -, aber sie hatten bis jetzt noch nie eine Rate an ihn verpasst.
Marco Dionetti interessierte sich nicht für das Geschehen im großen Ganzen. Ihm war es gleichgültig, weshalb die Rocca-Brüder mit einem Mord beauftragt wurden oder weshalb man sie beseitigt hatte. Freilich, Peter Howell ans Messer liefern zu müssen, hatte sein Gewissen belastet. Aber Ho well war nach Sizilien gereist, und er würde nie wieder von ihm hören. Wichtig war nur, den Besitz der Dionettis mit Hilfe amerikanischer Dollars weiterhin blühen und gedeihen zu lassen.
Nach einer erfrischenden Dusche nahm Dionetti an der großen Tafel, die dreißig Gästen Platz bot, eine einsame Mahlzeit ein. Als man ihm den Kaffee und das Dessert gereicht hatte, entließ er die Bediensteten, die sich daraufhin in ihre Räume im dritten Stock zurückzogen. Tief in Gedanken delektierte Dionetti sich an Erdbeeren, in Cointreau getränkt, und träumte davon, wo er seinen nächsten von der Großzügigkeit der Amerikaner finanzierten Urlaub verbringen würde.
»Guten Abend, Marco.«
Dionetti erstickte fast an der Erdbeere in seinem Mund.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte er Peter Howell an, der den Raum so ruhig und selbstverständlich betrat, als ob er ein geladener Gast wäre, und am anderen Ende der langen Tafel Platz nahm.
Dionetti riss eine Beretta aus der Innentasche seiner Samtjacke und richtete sie über die sechs Meter lange Tafel aus poliertem Kirschholz auf den Amerikaner.
»Was machen Sie hier?«, fragte er heiser.
»Warum fragen Sie, Marco? Sollte ich tot sein? Hat man Ihnen das gesagt?«
Dionettis Mund arbeitete wie der eines Fisches auf dem
Trockenen. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden!«
»Warum richten Sie dann Ihre Waffe auf mich?«
Howell öffnete seine rechte Hand, die er bisher zur Faust geschlossen hatte, und legte ein kleines Fläschchen auf den Tisch.
»Hat Ihnen Ihr Essen geschmeckt, Marco? Der Risotto di Mare duftet ausgezeichnet. Und die Erdbeeren - schmecken sie gut?«
Dionetti starrte das Fläschchen an und dann wieder die wenigen Beeren, die noch in der Glasschüssel vor ihm lagen. Er versuchte die düsteren Gedanken zu verdrängen, die ihn plagten.
»Denken Sie jetzt, ich hätte Ihr Obst irgendwie vergiftet, Marco? Schließlich bin ich an Ihrer Sicherheitsanlage vorbeigekommen. Ihre Angestellten haben nicht gemerkt, dass jemand im Haus ist. Wäre es da so schwierig gewesen, ein wenig Atropin in Ihren Nachtisch zu tun?«
Der Lauf der Waffe begann zu zittern, als Dionetti begriff, was Howell da sagte. Atropin war ein organisches Gift aus der Belladonnafamilie. Es war völlig geruch- und geschmacklos und wirkte unmittelbar auf das Zentralnervensystem. Dionetti versuchte verzweifelt sich daran zu erinnern, wie schnell das Gift wirkte.
»Bei jemandem Ihrer Größe und Ihres Gewichts würde ich meinen, in etwa vier oder fünf Minuten - in Anbetracht der Dosis, die ich verwendet habe«, ließ Howell ihn wissen. Er tippte an das Fläschc hen auf dem Tisch. »Aber hier ist das Gegenmittel.«
»Pietro, verstehen Sie doch…«
»Ich verstehe, dass Sie mich verraten haben, Marco«, erwiderte Howell mit plötzlich schroffer Stimme. »Das ist alles, was ich verstehen muss. Und wenn Sie nicht etwas hätten, was ich brauche, dann wären Sie jetzt schon tot.«
»Auch ich kann Sie jetzt sofort töten!«, zischte Dionetti.
Howell schüttelte verweisend den Kopf. »Sie haben doch geduscht, erinnern Sie sich nicht? Ihre Pistole legten Sie vorher im Halfter auf der Anrichte im Badezimmer ab. Ich habe die Patronen herausgenommen, Marco. Schießen Sie doch, wenn Sie mir nicht glauben.«
Dionetti betätigte den Abzug. Aber da war nur ein mehrfaches Klicken zu hören, wie Nägel, die
Weitere Kostenlose Bücher