Ludlum Robert - Covert 03
Smith aufmerksam zu machen.
Er wirkte beunruhigt und argwöhnisch. Der Mann sah gut aus, er hatte fast indianische Gesichtszüge – hohe Backenknochen, ein kantiges Gesicht und dunkelblaue Augen. Im Moment verdeckte zwar eine schwarze Sonnenbrille seine Augen, aber sie erinnerte sich an die Farbe und fröstelte.
Jetzt schien er zu einer Entscheidung gelangt zu sein und eilte die Treppe zur Metrostation hinunter. Für sie gab es jetzt keine Zweifel mehr. Er hatte bemerkt, dass jemand ihm folgte, wusste aber nicht, dass sie das war, sonst wäre er ihr gefolgt, nachdem sie an seinem Tisch vor dem Café vorübergegangen war und ihn dabei angesehen hatte.
Sie seufzte, war irgendwie irritiert. Es war Zeit, Meldung zu machen. Hastig zog sie ihr Handy aus einer Tasche unter ihrem schweren schwarzen Rock. »Er hat bemerkt, dass er beschattet wird, aber er hat mich nicht entdeckt«, meldete sie ihrer Kontaktperson. »Im Übrigen scheint er wirklich hier zu sein, weil er sich Sorgen um seinen verletzten Freund macht. Alles, was er seit seiner Ankunft getan hat, passt dazu.« Sie lauschte und antwortete dann ärgerlich: »Ganz wie Sie wollen. Wenn Sie meinen, dass sich das lohnt, dann schicken Sie jemanden, der ihn beschattet. Ich habe meinen eigenen Auftrag … nein, bis jetzt nichts Bestimmtes, aber ich spüre, dass es etwas Großes sein wird. Mauritania wäre nicht hierher gekommen, wenn es nicht wichtig wäre … ja , falls er es hat.«
Sie schaltete ihr Handy ab, sah sich vorsichtig um und trat aus den Schatten heraus. Jon Smith war aus der Metrostation nicht wieder aufgetaucht, und so eilte sie zu dem Café zurück, wo er gesessen hatte. Sie suchte das Pflaster unter dem Stuhl ab, den er benutzt hatte, und nickte dann befriedigt. Da war nichts.
Smith wechselte viermal den Zug und verließ bei zwei Stationen sogar den Bahnsteig, kehrte zur Straße zurück und rannte gleich darauf wieder die Treppe hinunter. Er sah sich jedes Mal gründlich um, bis er schließlich nach einer Stunde sicher war, den Beschatter abgeschüttelt zu haben. Erleichtert, aber immer noch vorsichtig stieg er in ein Taxi und fuhr zu der Adresse, die Fred Klein ihm genannt hatte.
Es handelte sich um eine private Pension in einem mit Efeu bewachsenen dreistöckigen Ziegelbau in einem kleinen Hinterhof an der Rue de Renaudes, abseits von der Straße und vor Verkehrslärm geschützt. Die Concierge an ihrer Theke hinter der eleganten Eingangstür wirkte ebenso diskret wie das Gebäude selbst. Die matronenhafte Frau mit den stahlgrauen Augen und den undurchdringlichen Gesichtszügen ließ keinerlei Reaktion erkennen, als Smith nach M. Werner fragte, trat aber hinter ihrer Theke hervor und führte ihn mit keineswegs matronenhaften Hüftbewegungen die Treppe hinauf. Smith vermutete, dass sich unter ihrem Pullover und ihrer Kittelschürze mehr Metall als nur ihre Hausschlüssel verbarg.
Ähnliches vermutete er, als er den Bantamgewichtler auf einem Sessel im Korridor im ersten Stock sitzen und einen Krimi von Michael Collins lesen sah. Die Concierge verschwand die Treppe hinunter wie ein Kaninchen im Zylinder eines Zauberkünstlers, und der kleine Kraftprotz auf dem Stuhl prüfte Smith’ Ausweis, ohne dabei aufzustehen und ohne seine kerzengerade Haltung zu verändern. Er trug einen dunklen Straßenanzug, aber die Ausbuchtung unter seiner linken Schulter machte auf Smith den Eindruck, als würde sich dort ein alter Colt Semiautomatik, Baujahr 1911, verbergen. Die Haltung des Mannes und seine Bewegungen erweckten den Eindruck einer unsichtbaren Uniform, die ihm praktisch auf die Haut tätowiert war. Offenbar war er Berufssoldat im Mannschaftsrang; ein Offizier wäre aufgestanden. Dass er immer noch den alten Colt.45 trug, deutete auf gewisse Privilegien hin – wahrscheinlich war er ein dem General persönlich zugeteilter Master Sergeant.
Er gab Smith den Ausweis zurück, machte eine leichte Kopfbewegung, die man als Ehrenbezeugung deuten konnte, und sagte: »Die Parole, bitte, Colonel.«
»Loki.«
Wieder eine leichte Kopfbewegung. »Der General erwartet Sie. Dritte Tür rechts.«
Smith ging zu der Tür, klopfte und öffnete sie, als ein kehliges »Herein« zu vernehmen war. Er betrat ein sonnendurchflutetes Zimmer mit einem großen Fenster und einem wahren Blütenmeer, an dem Monet die reine Freude gehabt hätte. In dem Zimmer stand ein weiterer Bantamgewichtler, aber zehn Jahre älter und vierzig Pfund leichter als der Mann draußen im Flur. Er war
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