Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)
dabei?« Er mühte sich, sachlich zu klingen.
»Ja«, sagte Stachelmann leise.
»Wenn du willst, schreibe ich dir ein Zeugnis. Und wenn es nur deswegen ist, um dir zu zeigen, dass ich bis zum Ende fair bin. Aber wenn du die Konfrontation willst, wirst du sie bekommen.«
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie gleichgültig mir deine Sprüche sind. Wenn ich Lust habe, die Sache zu veröffentlichen, dann tue ich das. Wenn ich keine Lust habe, tue ich es nicht. Du kannst meine Laune ein wenig beeinflussen, wenn du mir sagst, wer geschossen hat. Und wer Brigitte Sterns Mörder ist.«
Bohming starrte ihn an. Er schwieg.
Stachelmann verließ das Zimmer ohne Gruß.
Draußen spürte er, wie aufgewühlt er war. Bohming hatte sich demaskiert, schneller, als Stachelmann gedacht hatte. Aber es fehlte ein Glied, nämlich das zwischen Bohming und dem Mörder. Stachelmann bildete sich ein, etwas gehört zu haben von Bohming, das ihm die Suche danach erleichtern würde. Er quälte sein Hirn, aber er fand nichts.
Er ging zu Anne. Stachelmann erzählte ihr zunächst, wie sein Treffen mit Bohming verlaufen war.
»Und was machst du nun mit dem Sagenhaften?«, fragte sie.
»Weiß ich nicht. Mich interessiert erst einmal, wer Brigittes Mörder ist.«
»Übrigens habe ich inzwischen zwei Werke des Herrn Hamm bekommen. Haben die wohl aus der Giftküche geholt. Weißt du, in welchem Verlag das erste erschienen ist, 1935?«
»Mach's nicht so spannend.«
»Im Verlag Fraenkel & Schmid.«
»Und das zweite?«
»Im Schmid Verlag, 1937. Alles klar?«
Stachelmann nickte bedächtig. Er dachte eine Weile nach, dann schaute er auf die Uhr und sagte: »Hoffentlich ist der Schmid noch da.« Dann nahm er das Telefonmobilteil und wählte die Nummer des Verlags, schaltete den Mithörlautsprecher ein und wurde gleich verbunden mit dem Verleger.
»Ja, guten Tag, Herr Dr. Stachelmann. Ich freue mich, dass Sie anrufen. Haben Sie noch eine Frage zu unserem Vertrag?«
»Nein«, sagte Stachelmann. »Mir geht es um etwas anderes. Ich sitze gerade an einem kleinen Aufsatz über die Arisierung von Wissenschaftsverlagen in Norddeutschland. Sie wissen bestimmt, was mit Herrn Fraenkel geschehen ist.«
Schweigen. Stachelmann hörte Schmid atmen. Dann sagte der: »Ein tragischer Fall. Mein Vater hat Ende 1936 Herrn Fraenkels Verlagsanteile vorsorglich übernommen, weil ja absehbar war, dass jüdischer Besitz enteignet würde. Er hat Herrn Fraenkel natürlich zugesagt, ihm die Anteile zurückzugeben, sobald dies möglich sei.«
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
»Herr Fraenkel ist verstorben.«
»Und er hat keine Erben?«
»Ich fürchte, nein.«
»Ich glaube nicht, dass Sie das fürchten. Wissen Sie, was ich glaube? Dass es im Fall Ihres Verlags so gelaufen ist wie in den meisten Fällen. Ihr werter Herr Vater hat seinen Kompagnon mit einem Taschengeld abgespeist für dessen Anteile und eine Menge versprochen in dem Bewusstsein, dass das Dritte Reich schon lange genug dauern werde, um nie in die Lage zu kommen, die Versprechungen einlösen zu müssen, wenn man sie denn nicht sowieso schnell vergessen hatte.«
»Herr Dr. Stachelmann, mein Vater war ein Ehrenmann.«
»Das ließe sich bei einer Recherche im Archiv der zuständigen Finanzdirektion bestimmt belegen«, sagte Stachelmann mit Spott in der Stimme. »Die Akten darf man sich jetzt ja angucken.«
Schmid sagte nichts.
»Aber es hat ja schon jemand recherchiert. Der gute Bohming, nicht wahr?«
Schmids Atmen wurde heftiger.
»Und dann hat der gute Herr Bohming Ihnen gesagt, das Buch von dem Stachelmann, das veröffentlichen Sie besser nicht. Herr Schmid, wollen Sie dazu was sagen? Sonst gehe ich einfach davon aus, dass sich alles so verhält, wie ich es darstelle.« Er wartete auf eine Antwort, bekam aber keine. »Dann haben Sie überlegt, wie komme ich aus dem Vertrag mit dem Stachelmann raus? Und kamen auf die tolle Idee, sich selbst einen Erpresserbrief zu schreiben.«
Schmid hustete.
»Stimmt doch, oder?«
»Wenn Sie wollen, Herr Dr. Stachelmann, natürlich erfülle ich den Vertrag, den wir geschlossen haben.«
»Ach, so plötzlich? Wissen Sie was? Ich verzichte. Mit so einer Figur wie Ihnen will ich nichts zu tun haben. Man kann sich ja nicht dauernd die Hände waschen.«
Er legte auf.
»Der hat ja richtig Schiss!«, sagte Anne. Sie lachte. »Unser Sagenhafter entpuppt sich als der große Erpresser.«
»Darauf hätte ich früher kommen können«, sagte
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