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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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einfachen Urteil, vor allem dem moralinsauren. Darüber diskutieren wir, wenn du nicht mehr so wütend bist. Du solltest übrigens deinen Zorn nicht gegen mich richten, sondern gegen diese Typen da.« Er zeigte zum Fenster hinaus.
    Sie lächelte, aber er sah ihr an, dass sie nicht lächeln wollte. »Tee? Kaffee?«
    Er überlegte kurz, dann nahm er an, obwohl er lieber nach Hause gegangen wäre. Die Schmerzen quälten ihn und die Angst setzte erst jetzt richtig ein, als ihm einfiel, was ihm hätte passieren können. Andere Nazis oder ein anderer Ort, nicht der Bürgersteig einer Hauptverkehrsstraße in einer Großstadt, und sie hätten ihn verprügelt, vielleicht totgeschlagen. Aber er wollte noch herausbekommen, was sie wusste über den Schützen und die Kampagne gegen ihn.
    »Dir geht es nicht gut«, sagte sie. »Kein Wunder, du wolltest dich ja mit Nazis schlagen.«
    »Ich habe mich überschätzt. Wenn die nicht so feige gewesen wären, sähe ich aus wie du oder schlimmer.«
    Sie lachte und verzog das Gesicht, weil es sie schmerzte. Dann ging sie in die Küche, er folgte ihr.
    »Hallo«, sagte sie. In der Küche saß ein junger Mann. Stachelmann glaubte, ihn schon einmal gesehen zu haben. Er begrüßte ihn auch mit »Hallo«. Aber der Mann schaute ihn nicht einmal an. Er war unrasiert, Sweatshirt mit Kapuze, enge Hose, ganz modisch.
    »Das ist mein Mitbewohner«, sagte Brigitte. »Er heißt angeblich Georg, alle nennen ihn nur Georgie.« Sie sprach es Englisch aus. »Er studiert auch Geschichte, jedenfalls manchmal.«
    Stachelmann überlegte, ob die beiden etwas miteinander hatten. Er fühlte einen Stich, schwach nur. Du kannst doch nicht wegen einer Studentin eifersüchtig sein. Nun wird es lächerlich. Alicia fiel ihm ein, die ihm nachgestellt und einen Selbstmord vorgetäuscht hatte. Vielleicht hatte sie sich auch wirklich umbringen wollen. Alicia war ihm egal gewesen, sie hatte ihn genervt. Nein, mit einer Studentin würde er sich nicht einlassen. Nicht wegen des rechtlichen Ärgers, der ihm drohen würde, sondern weil sie zu jung wäre. Worüber soll man sich mit ihnen unterhalten außer übers Wetter? Allerdings, gestand er sich ein, mit Brigitte hatte er sich nicht übers Wetter unterhalten, sondern über Thälmann und Buchenwald. Und da war er nicht der Dozent gewesen, sondern ein Gesprächspartner. Nun spürte er den Stich wieder.
    Endlich drehte Georgie Stachelmann das Gesicht zu und reichte ihm die Hand. »Tag, Herr Stachelmann«, sagte er.
    Also kannte er ihn.
    »Ich habe mal ein Proseminar belegt bei Ihnen. War ganz okay. Ging um Arisierung oder so. Und dann haben Sie ja diesen Mörder gefunden, während die Bullen geschlafen haben. Nicht schlecht«, sagte Georgie matt und schaute auf Brigitte, die sich ihm gegenüber an den Küchentisch gesetzt hatte. Die Kaffeemaschine blubberte.
    »War 'ne lange Nacht, was, Georgie?«
    Der zuckte mit den Achseln, als wollte er sagen, es musste sein.
    »Wann bist du nach Haus gekommen?«
    »Keine Ahnung«, sagte er.
    »Du musst heute das Bad putzen«, sagte sie.
    »Morgen reicht auch noch.« Er steckte sich eine Zigarette an. Brigitte eilte zum Küchenfenster und riss es auf.
    »Ist ja gut«, sagte Georgie. Er stand auf und schmiss die Zigarette aus dem Fenster. Dann schloss er das Fenster und verzog sich aus der Küche.
    »Sonst ist er nicht so«, sagte Brigitte. »Aber wenn ein anderer Mann kommt, muss er den Macho geben. Dabei ist er knallschwul und treibt sich fast das gesamte Wochenende in Szenekneipen herum.«
    Warum fühle ich mich erleichtert?, fragte sich Stachelmann. Du bist ein Idiot.
    Sie warf ihm einen neugierigen Blick zu. Ob sie meine Gedanken lesen kann?
    »Vielleicht kannst du meine Frage einfach mit ja oder nein beantworten: Hast du eine Ahnung, wer geschossen haben könnte?«
    »Du glaubst mir doch sowieso nicht.«
    »Ja oder nein?«
    »Nein.«
    »Gut«, sagte Stachelmann. Komisch, er war wieder erleichtert, obwohl er so dringend wissen musste, wer es gewesen war. Erst dann war der Spuk zu Ende. »Hast du etwas mit der Kampagne zu tun? Den Schmierereien, dem Internetforum?«
    Sie schaute ihn lange an, dann sagte sie: »Jein. Ich war es nicht.«
    »Aber du weißt, wer es war?«
    Sie antwortete nicht. Dann sagte sie: »Wie kommst du überhaupt in diese Ecke? Wohnst du nicht in Lübeck?«
    »Ich bin hierhergekommen, um zu schauen, was du treibst.«
    Wieder ein langer Blick. Er dachte, sie hätte längst begreifen müssen, was er tat. Er hatte doch

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