Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)
befreundet?«
Der andere zögerte wieder. »Na, so ähnlich. Also, nicht was Sie meinen.«
Fast hätte Stachelmann erwidert: Und was meine ich? Aber er sagte: »Es ist dringend. Sie wird vermisst. Vielleicht braucht sie Hilfe.«
Wieder erst Schweigen. »Meinen Sie?«
Stachelmann mühte sich, Ungeduld und Ärger zu zügeln. »Also, Sie wissen nichts.«
Pause. Stachelmann hörte Ablass atmen. »Nein.«
»Können Sie mir erklären, warum Brigitte Ihren Adresseintrag mit einem G gekennzeichnet hat?«
Ein langes Schweigen.
»Nun? Können Sie es?«
»Sind andere Namen auch so markiert?«
»Ja?«
»Dann heißt es wohl ›Gruppe‹.«
»Was für eine Gruppe?«
»Na, wir sind eine Gruppe, die sich mit dem Faschismus beschäftigt und wie man ihn bekämpft. Antifas«, sagte er.
»Und Brigitte war Mitglied in dieser Gruppe?«
»Na, Mitglied ... ja, so kann man es vielleicht sagen.«
»Haben Sie meinen Namen schon mal gehört?«
Schweigen. Dann: »Welchen Namen?«
»Stachelmann.«
Wieder Schweigen.
»Haben Sie?«
»Ja.«
»Könnten Sie mir auch sagen, in welchem Zusammenhang?« Stachelmann mühte sich, seine Ungeduld nicht hören zu lassen.
»Weiß ich nicht mehr«, sagte Ablass.
»Aber ich weiß, dass es hier nicht um mich geht, sondern um Brigitte. Sie ist womöglich in Gefahr. Und wenn Sie weiter so herumdrucksen, werden wir ihr nicht helfen können. Wir wissen nun immerhin, wem wir die Verantwortung dafür geben müssen.«
Ablass schwieg trotzdem. Man muss diesem Kerl jedes Wort aus der Nase ziehen, dachte Stachelmann. Was hatte der zu verbergen?
»Ich muss erst mit meinen Freunden ...«
»Auf so einen Freund wie Sie könnte ich verzichten«, sagte Stachelmann. Es fiel ihm ein, dass er keinen Freund mehr hatte, seit Ossi tot war. Aber war Ossi sein Freund gewesen?
Georgie zog die Augenbrauen hoch und sagte: »Hm.«
Ablass atmete noch ein paar Mal in den Hörer, dann legte er auf.
»Der Nächste auf der Liste«, sagte Stachelmann. »Ich habe gerade so richtig Lust, mit hilfsbereiten jungen Leuten zu sprechen.«
Georgie sagte: »Hm. Vielleicht sollte besser ich mein Glück versuchen.« Er kratzte sich an der Nase, schaute Stachelmann kurz an, und dann blickte er an ihm vorbei an die Wand.
»Nein, lass mich noch einmal einen Anlauf machen.«
»Aber reg dich vorher ab. Der Dreckmann kann nichts dafür, dass der Ablass ein Idiot ist.«
»Ist ja gut«, sagte Stachelmann.
Georgie schob den Ausdruck zu Stachelmann, der wählte die Nummer. Er ließ es lange klingeln, aber niemand hob ab.
Beim Dritten, Christoph Meyer, war die Leitung besetzt.
Der Vierte, Halil Ötztürk, nahm sofort ab. »Ja, hab ich gehört«, sagte er, als Stachelmann ihm erzählte, dass Brigitte verschwunden sei. »Vielleicht ist sie gar nicht weg. Nimmt eine Auszeit. Die hat in den letzten Wochen heftig Druck gekriegt, von so einem Unidozenten, der ein abartiges Buch veröffentlichen will. Mann, stell dir vor, der schreibt, die Faschisten hätten Recht gehabt, na ja wenigstens, was die KZs angeht.«
»Inwiefern Recht gehabt?«
»Na, der hat denen Recht gegeben. Ist wahrscheinlich selber ein verkappter ...«
»Reden Sie nicht so einen Unsinn. Niemand hat den Nazis Recht gegeben«, platzte es aus Stachelmann heraus. Das war zu viel.
»Ist ja gut, Mann, reg dich nicht auf. Bleib cool.«
»Haben Sie eine Ahnung, wo Brigitte sein könnte?«
»Wer will das wissen?«
»Ein Freund von ihr. Und ihr Mitbewohner. Den kennen Sie vielleicht?«
»Georgie?«
Stachelmann gab Georgie den Hörer. »Ja, ich bin's.« Dann hörte er lange zu. Ab und zu warf er etwas ein. »Nein ... Quatsch ... nun sag schon ... genau ... gut ... bis nachher.« Er legt auf.
»Halil sagt, er will mich treffen.«
»Ich komme mit.«
Georgie schüttelt den Kopf. »Besser nicht.«
»Warum, weil der so einen Quatsch erzählt über mich?«
»Ach, der hat nicht viel mitbekommen. War verreist oder so was. Und irgendeiner, vielleicht war es ja Gitte, hat ihm in Kurzfassung die saftige Variante erzählt, weil sie keine Lust hatte, das alles durchzudeklinieren. Manchmal war sie so. Kurz angebunden.«
»Hoffentlich war sie nicht nur so.«
»Klar, klar«, sagte Georgie. Aber erschrocken war er nicht über seinen Versprecher.
Stachelmann kam der Gedanke, der weiß vielleicht mehr, als er sagt. Georgie spielt womöglich ein falsches Spiel mit mir. Er führt mich aufs Glatteis. Er weiß, wo Brigitte ist, lebendig oder tot, und er hat damit zu tun. Aber was und aus
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