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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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öffnete. Er hetzte die Treppe hoch, nachdem er die Haustür zugezogen hatte, der Schließmechanismus war ihm zu langsam. In seiner Wohnung riss er sich die Kleidung vom Leib und stellte sich unter die Dusche, warm bis zur Schmerzgrenze. Dann wieder kalt, dann lau. Er trocknete sich ab und zog seinen Frotteebademantel an. Es ging ihm besser. Die Angst war geblieben, aber in der Wohnung fühlte er sich einigermaßen sicher.
    Er setzte sich in den Sessel im Wohnzimmer und mühte sich, systematisch zu denken. Ganz von vorn. Jemand schießt auf dich. Fast gleichzeitig startet Brigitte eine Internetkampagne. Wahrscheinlich wollte sie es dir beichten, aber vorher schlug der Mörder zu. Es muss der gleiche Täter sein. Natürlich kann es auch ein anderer sein, aber das ist unwahrscheinlich. Oder einer nutzte die Schüsse im Von-Melle-Park aus, um seine Rechnung zu begleichen. Was für eine Rechnung? Keine Ahnung.
    Nochmal. Es gibt nur einen Täter. Brigitte hat etwas gewusst über ihn und wollte es mir sagen. Der Mörder hat es vorher erfahren und Brigitte ermordet. Das Bild von Brigittes Leiche kam Stachelmann vor Augen. Ihm wurde übel. Er zwang sich, das Bild zu betrachten. Wenn du es verdrängst, plagt es dich dein Leben lang. Wenn du dich daran gewöhnst ... pervers, daran kann man sich nicht gewöhnen, aber man kann lernen, es auszuhalten. Er schaute es sich weiter an. Jede Einzelheit. Sein Blick blieb am Hals hängen. Er sah die Schnittwunde. Ihm wurde wieder übel. Schau hin. Dann drängte er das Bild doch weg.
    Denk nach. Es gibt also nur einen Mörder. Hat der was zu tun mit der Kampagne? Das weiß ich nicht. Ich gehe davon aus, dass es so ist. Aber er muss nicht der Anstifter sein, nicht einmal teilgenommen haben. Es genügt, dass er davon wusste und dass es ihm passte. Er hat sich angehängt. Vielleicht war es wirklich nur Zufall. Aber das ist erst einmal egal. Wo ist der Ansatzpunkt? Schmid noch einmal befragen, unter Druck setzen? Der will, dass ich seinen Auflösungsvertrag unterschreibe. Die Habilschrift durchsuchen, ob sich doch etwas findet, das irgendjemanden aufgeregt haben könnte?
    Er schaltete den Computer ein und guckte zuerst, ob sich in der Diskussionsgruppe etwas getan hatte. Nichts, kein neuer Beitrag, und andere threads schoben das Thema immer weiter nach unten. Bald würde es nicht mehr auf der Startseite stehen. Er überflog noch einmal die Beiträge, fand aber nichts, das er übersehen hätte.
    Ich fange mit der Arbeit an. Er nahm den Ausdruck, der auf dem Schreibtisch lag, auf den Schoß und begann zu blättern. Es fiel ihm erstaunlicherweise nicht so schwer, zuvor hatte er Angst vor der eigenen Arbeit gehabt. Wenn man hineinschaut, findet man bestimmt Fehler, immer neue Fehler. Und es gefällt einem womöglich nicht mehr, stilistisch dürftig, inhaltlich dünn. Aber das beschäftigte ihn jetzt kaum. Vielleicht hatte die Angst vor dem Todesschützen die Angst vor der Arbeit verdrängt.
    Er blätterte und las diagonal. Er musste nur ein paar Wörter, ein, zwei Sätze sehen, um zu wissen, was auf der Seite stand. Musterlager Sachsenhausen, Vorbild auch für Buchenwald, der KZ-Inspekteur Eicke, verantwortlich für die Vereinheitlichung des KZ-Systems, dem Strick entgangen durch Tod an der Ostfront, Buchenwald gebaut auch auf Wunsch thüringischer Politiker und Unternehmer, einziges KZ mit einem Kunstnamen – die anderen waren nach den Standorten benannt –, weil die feine Gesellschaft über ein KZ Weimar die Nase gerümpft hätte, der Nachbau von Schillers Möbeln im KZ, um die Originale vor Bombenangriffen zu schützen – Schiller als Nationalsozialist, unglaublicher Unsinn, aber weit verbreitet, das mörderische Lagerregime, das kleine Lager in der Mitte, abgezäunt, überfüllt mit kranken Menschen, zum Teil gerade eingeliefert, Arbeitsterror in den neben dem Lager errichteten Deutschen Ausrüstungswerken, DAW, Bombenangriffe auf die Fabrik, nur die SS darf in Luftschutzräume flüchten, Wandlung des KZ in ein Arbeitslager, aber weiter Tote und Terror, später Abspaltung des Außenlagers Dora in ein eigenständiges KZ zum unterirdischen Bau der »Wunderwaffen« V 1, V 2, Me 262 und so weiter, Vernichtung durch Arbeit, Leichenberge in den Stollen, Prügel und Folter, aber kaum etwas zu essen, schlafen in nasser Kälte und mittendrin, wohlgenährt und bewundert, der Raketenpionier Wernher von Braun, ungerührt, nach dem Krieg nicht auf der Nürnberger Anklagebank, sondern Planungschef der

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