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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
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aussehen?«
    »Welche Verschwörung?«, fragte Lula. »Welchen Stützpunkt?« Mister Stanley musste beschlossen haben, ihr diese Nachricht vorzuenthalten.
    »Wiedergeborene Dschihadisten«, sagte Alvo. »Die sind ein Problem. Keiner aus meiner Familie wollte zur Hochzeit meines Vetters zweiten Grades gehen, weil er weder Alkohol noch Musik zulassen wollte. Welche Religion kommt denn auch nur auf den Gedanken an eine trockene Hochzeit? Ganz schlechter Start für eine Ehe.«
    Lula hätte fast erwähnt, dass es in ihrer Familie Ähnliches gab. Nicht, dass sie ihren Dschihadisten-Vetter gut genug kannte, um zu seiner Hochzeit eingeladen zu werden oder auch nur zu erfahren, ob er geheiratet hatte. Aber irgendetwas hielt sie davon ab, zu viel Persönliches preiszugeben. Wer war denn dieser Alvo überhaupt? Woher hatte er ihren Namen? Von Vetter George? Von seiner Tante bei der Einwanderungsbehörde? Oder arbeitete er für die als Spion?
    Lula fragte: »Würdest du wissen, wie man ein albanisches Mädchen findet, das nach Hause zurückgekehrt und verschwunden ist?«
    »Warum? Hast du vor zu verschwinden?«
    »Meine Freundin«, sagte Lula. »Dunia. Über die ich mir Sorgen mache.« Tränen traten ihr in die Augen. Alvo sah sie erschrocken an. Während ihrer kurzen Bekanntschaft hatte er bereits einmal erlebt, dass sie zu weinen anfing und nicht mehr aufhören konnte. Vermutlich glaubte er, sie täte das dauernd.
    »Okay, hör zu«, sagte Alvo. »Ich kenne Leute. Hier und da. Vielleicht kann ich etwas herausfinden. Allerdings kann ich dir nichts versprechen …«
    Er reichte Lula sein Handy. »Gib ihren Namen ein und alles, was du an Kontaktinformationen hast.« Dann überlegte er es sich anders, nahm ihr das Handy ab und tauschte es gegen einen Kugelschreiber und eine Papierserviette aus, auf die Lula Dunias Namen und die Adresse von Dunias Mutter schrieb. Alvo las sie und schüttelte den Kopf.
    »Bin froh, dass ich nicht dort bin.« Er steckte die Serviette in die Tasche, und Lula hatte das Gefühl zuzuschauen, wie Dunia in der fusseligen Dunkelheit von Alvos Jackentasche verschwand.
    Die Thaifrau kehrte zurück und stellte einen Teller mit knusprig frittierten Bröckchen vor sie hin. Lula nahm sich einen Mundvoll des salzigen, öligen, köstlichen … was?
    »Petersilie«, sagte Alvo. Lula gefiel es, dass er Bescheid wusste und nicht nur mit Gusto aß, sondern auch kleine schmatzende Geräusche machte. Von all den Lügen, die über Sex verbreitet wurden, über das Verhältnis zwischen Handgröße und Penisgröße, das lustspendende Potenzial des Beschnittenen im Vergleich zum Unbeschnittenen, entsprach nach Lulas Erfahrung nur eines der Wahrheit: Wer gerne aß, war auch gut im Bett. Erfreuliche Gedanken, die nur leicht überschattet wurden, als ihr einfiel, dass Don Settebello gesagt hatte, er möge Frauen mit Appetit.
    Die Frau brachte weitere Speisen. Ente auf Bauernart, sehr authentisch.
    »Vielen Dank«, sagten Alvo und Lula im Chor.
    »Jeden Herbst hat mein Großvater eine Ente geschossen«, sagte Alvo. »Eine Ente pro Genosse pro Jahr.«
    Lula griff nach einem Stück Ente und nagte mit den Schneidezähnen das saftige, würzige Fleisch von den Knochen. Die knusprige Haut, die sie sich für zuletzt aufheben wollte, legte sie beiseite. Sie erwischte Alvo dabei, wie er sie beobachtete, als sie sich die Finger ableckte.
    »Mein Vater auch«, sagte sie. »Die jährliche Ente. War das nicht ein Nationalfeiertag, an dem die Genossen loszuziehen hatten, um sich mit Raki zu betrinken, auf Wildvögel zu ballern und sich gegenseitig in den Rücken zu schießen?«
    »Daran erinnere ich mich nicht«, sagte Alvo. »Mich hat nie jemand mitgenommen. Jäger wurden dauernd erschossen.«
    Lula sagte: »Mein Vater hat mir das Schießen beigebracht.« Madonna, von Kugeln durchsiebt, wogte vor ihren Augen auf.
    »Ich hab’s mir selber beigebracht«, sagte Alvo. »Ich musste.«
    Eine weitere verpasste Gelegenheit. Sie hätte sich mädchenhaft geben können, hätte fragen können, warum ein Bauunternehmer eine Waffe brauchte. Es tat ihr leid, dass das Thema zur Sprache gekommen war. Und wenn Alvo nun seinen Revolver wiederhaben wollte? »Was baut ihr Jungs eigentlich?«
    »Nur Gewerbliches. Supermärkte. Ich dachte, das hätte ich dir erzählt. Wir renovieren Supermärkte.«
    »Hast du vielleicht«, sagte Lula. Sie dachte an den Supermarkt, zu dem sie seinen Kassenzettel zurückverfolgt hatte. Dort waren Bauarbeiten im Gange. Vielleicht

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