Luegen auf Albanisch
gefeiert. Sie haben Pyramiden aus Baklava errichtet, die wie Weihnachtsbäume aussahen.« Ihre Oma hatte Baklava zu Weihnachten gemacht. Die Pyramide war eine Zusatzerfindung. »Der Diktator sah darüber hinweg, weil er Pyramiden so sehr mochte, dass er sich selbst in einer begraben ließ. Bis sie ihn wieder ausgegraben haben.«
»Sie haben ihn ausgegraben?«, fragte Mister Stanley.
Lula nickte. »Und ihn wieder vergraben.«
»Wie furchtbar.« Mister Stanley lachte in sich hinein und fing sich dann wieder. »Eine wenig bekannte Tatsache, nehme ich an.«
»Jede albanische Tatsache ist eine wenig bekannte Tatsache«, sagte Lula.
Mister Stanley lächelte sein putziges albanisches Haustier an.
Er sagte: »Sie sind unbezahlbar, Lula. Genießen Sie das Leben, solange Sie jung sind. Na gut, gehen wir nach Hause. Sie haben recht. Es ist eiskalt.«
»Lula, este Jorge.« Dunia schlang ihre makellos manikürte Hand um das Handgelenk des Fahrers, der gehupt hatte, damit Lula nach draußen kam und Dunia und ihren Stiefeln eine weitere abträgliche Begegnung mit Mister Stanleys verschneitem Vorgartenweg erspart blieb. »Jorge, esta Lula. Mi amiga .«
» Buenos dias .« Jorges Lächeln ließ den Rückspiegel erstrahlen.
» Buenos dias «, sagte Lula mürrisch. Die faule Dunia hätte wenigstens lange genug hereinkommen können, um von Lula über die Geschichte ihrer Beziehung mit Alvo, falls man es so nennen konnte, aufgeklärt zu werden. Ihre Phantasieromanze zu beschreiben, war schon peinlich genug, ohne es in Anwesenheit des bestaussehenden Fahrers von New Jersey tun zu müssen. Dennoch war sie dankbar, dass Dunia ohne zu zögern zugestimmt hatte, mit Lula shoppen zu gehen. Trotz allem waren sie Freundinnen geblieben, hielten Händchen über den Grand Canyon von Geld und Gesellschaftsschicht hinweg, der sich zwischen ihnen aufgetan zu haben schien.
»Mach dir wegen Jorge keine Gedanken«, sagte Dunia. »Er spricht insgesamt nur fünfzig Worte Englisch, die alle mit örtlichen Highways zu tun haben. Ich habe ihm Albanisch beigebracht. Unsere Geheimsprache, nicht wahr, Jorge?«
»Si« , sagte Jorge. »Ja.«
»Wenn ich es recht bedenke«, sagte Dunia, »besteht seine Sprache nicht aus Reden.«
»Wie geht Steve damit um?«, fragte Lula.
Dunia fuhr sich mit dem Finger über die Kehle und lachte. »Das war nur ein Witz. Steve will nicht wissen, was Steve nicht weiß. Ein sehr wenig neugieriger Mensch. Und was ist nun diese verzweifelte Situation?«
»Ich habe nicht ›verzweifelt‹ gesagt. Ich sagte ›ernst‹.«
»Du hast ›verzweifelt‹ gesagt«, beharrte Dunia.
Vielleicht hatte Lula ›verzweifelt‹ gesagt. »Okay, ich meinte ›ernst‹. Ich brauche was zum Anziehen.«
Dunia zog die Augenbraue hoch. »Das soll verzweifelt sein? Bagdad ist zum Verzweifeln. Hurrikan Katrina war zum Verzweifeln. Zehnjährige Kinder, die in einer Fabrik alte Kalaschnikows auseinandernehmen, sind zum Verzweifeln. Hast du davon gehört?«
»Mein Chef hat es mir erzählt«, sagte Lula.
»Netter Chef.« Dunia betrachtete Lula von Kopf bis Fuß und sagte: »Okay. Verzweifelt.«
»Short Hills Mall«, teilte sie Jorge mit. »Gracias. Por favor.«
Sobald sie sich in Bewegung gesetzt hatten, war es leichter. Irgendwie weniger intim. Lula versuchte zu reden ohne nachzudenken, einfach die Geschichte von Alvo und seinen G-Men herausfließen zu lassen. Oder wenigstens das, was sie von der Geschichte wusste. Als sie fertig war, schwieg Dunia so lange, dass Lula nichts anderes übrig blieb, als über die Lächerlichkeit des gerade Erzählten nachzudenken.
»Hab ich das richtig verstanden?«, fragte Dunia. »Du verbringst den Weihnachtsabend mit einem Kerl, der dich in irgendeinen Thaischuppen einlädt, dir den Kopf verdreht, sich in dein Haus schleicht, unter die Dusche steigt und Scheiß auf deinem Computer schreibt …«
»Auf Zekes Computer. Und er hat mir ein Geschenk dagelassen.« Lula vermisste Little Charmy Puppy und seine bedingungslose Zuneigung. Sie hatte ihn so oft bellen lassen, dass er kaputt ging und nicht zu reparieren war.
»Was für ein Geschenk? Davon hast du mir nichts erzählt.«
Lula lächelte. Sollte sich Dunia doch wer weiß was vorstellen.
»Geschenke bedeuten nichts«, sagte Dunia. »Lass dir das von jemandem versichern, der Bescheid weiß.«
Danach verlief die Fahrt schweigend, bis Dunia sagte: »Bravo, Jorge! Wir sind da. Das ist das einzig vernünftige Einkaufszentrum, die anderen sind nur große
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