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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
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wäre nicht schlecht.«
    Lula sagte: »Ich hole ihn.«
    Über die Schulter sah sie, wie Ginger Alvo bedrohte. Beim Anblick von Gingers erschlafftem Hintern entfuhr Lula ein erstickter Seufzer. Eines Tages würde ihrer auch so schlaff werden. Junge Leute sollten das nicht wissen, aber Lula hatte es immer gewusst. Selbst ihr Hintern war von ihrem Verbleib in diesem Land abhängig. Wenn sie sich in einem anständigen Fitness-Studio anmeldete, würde ihr Muskeltonus zwanzig Jahre länger halten als in Tirana.
    Alvo warf Lula einen bedeutsamen Blick zu. Er dachte vermutlich, ihr Plan sei, dass er sich das Messer schnappte, wenn Lula Ginger in den Morgenmantel half. Was funktioniert hätte, wenn da ein Morgenmantel gewesen wäre. Er wusste, dass es eine Waffe gab, nur nicht, wo Lula sie aufbewahrte. Denn im Gegensatz zu Ginger war er nie mit genügend Zeit, Motiv und Gelegenheit in diesem Zimmer gewesen, um Lulas Sachen zu durchstöbern.
    Da Ginger zu sehr mit Alvo beschäftigt war, kam sie nicht dazu, sich zu fragen, warum Lula Großmutters Morgenrock in einer Kommodenschublade verwahrte. Bei all ihrer Rumschnüffelei, wie hatte sie da den Revolver übersehen können? Vielleicht hatte Lulas Unterwäsche ein magnetisches Kraftfeld erzeugt. Wenn ja, war sie ihr Geld wert gewesen, obwohl die Seide an ihrer Brust und den Oberschenkeln sie jetzt beschämend an ihre zerstörten Hoffnungen erinnerte.
    Lula zielte mit dem Revolver auf Ginger.
    »Lassen Sie das Messer fallen«, sagte sie in ihrer überzeugendsten und, wie sie hoffte, am wenigsten nach Räuber und Gendarm klingenden Stimme.
    Ginger deutete mit dem Kinn auf den Revolver. »Na so was. Ich sterbe vor Lachen. Erschieß mich und erklär das meinem Mann und meinem Sohn. Und verschwinde dann auf direktem Weg ins Abschiebelager.« Mit einem Schulterzucken drehte sie sich um und fuchtelte mit dem Messer vor Alvo herum. »Weißt du was? Ich bin dein Gesicht leid. Dein Gesicht in seiner jetzigen Form.«
    Was sollte Lula jetzt machen? Nichts lief nach Plan. Ein Moment verging, dann noch einer.
    Lula drückte auf den Abzug.
    Der Rückstoß ließ sie nach hinten taumeln. Ihr Papa wäre stinksauer geworden, wenn er gesehen hätte, wie sie stolperte und beinahe hingefallen wäre. Das Zimmer begann zu glitzern, als wären alle Wände verspiegelt, die Luft strahlend vor Glimmer. Das Letzte, was Lula sah, bevor sie dem plötzlichen überwältigenden Bedürfnis nach Schlaf nachgab, war das Lächeln von Madonna, während ein kleines Mädchen sie mit Kugeln durchsiebte.
    Als sie die Augen öffnete, roch Lula Weihrauch. Nein. Schießpulver. Rauch. Ginger war gegen eine Wand gesackt, benommen, aber offensichtlich unverletzt. Niemand war verletzt worden. Das Messer lag auf der anderen Seite des Zimmers. Gipsstaub bröselte aus einem geschwärzten Loch in der Tapete. Alvo griff nach einer Decke und breitete sie sanft über Ginger.
    »Was zum Teufel?«, sagte Ginger. »Wo ist mein verdammter Morgenrock?«
    »Es gibt keinen Morgenrock«, sagte Lula.
    »Lügnerin«, sagte Ginger. »Verlogene Nutte. Mörderin. Du hast mich fast umgebracht.«
    Die Tür öffnete sich. Mister Stanley hatte innerhalb von fünf Sekunden die Situation erfasst.
    »Großer Gott«, sagte er. »Ach du grundgütige Scheiße.«
    »Stanley!«, sagte Ginger. »Schau mich an! Dein geiles Flittchen hat mich fast umgebracht.«
    »Aber sie hatte ein Messer!«, rechtfertigte sich Lula wie ein kleines Kind.
    »Hallo, meine Liebe«, sagte Mister Stanley zu Ginger. Als er sich über sie beugte und seine Frau auf den Scheitel küsste, war es das Traurigste, was Lula je zu sehen hoffte. Er hob das Messer auf und nahm Lula den Revolver ab, ging von Waffe zu Waffe wie eine erschöpfte Mutter, die am Abend das Spielzeug einsammelt. Mit dem Revolver in der einen und dem Messer in der anderen Hand ging er ins Bad, legte die Waffen dort ab und schloss dann die Tür. Für einen so auf Sicherheit bedachten Mann wirkte Mister Stanley erstaunlich ruhig. Aber warum sollte Lula das überraschen? So war er nun mal. Seine Gelassenheit war bewundernswert, doch sie begriff, dass es vielleicht genau das war, was Ginger verrückt machte.
    »Hallo, meine Liebe?« Die grausame Exaktheit, mit der Ginger ihn nachahmte, erinnerte Lula an Zeke. »Mehr hast du nicht zu sagen? Hallo, meine Liebe? Stan, du bist so autistisch !«
    »Sind Sie ein Freund von Lula?«, fragte Mister Stanley, an Alvo gewandt.
    »Mein Vetter«, sagte Lula. »Mister Stanley, das ist

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