Luegen auf Albanisch
Paradies, in das niemand aus Furcht, der Fluch könnte ansteckend sein, den Fuß setzte, auch wenn das keinen daran hinderte, ihre Erzeugnisse auf dem Markt zu kaufen. Nichts Unheilvolles passierte. Und als eine Reihe von Tier- und Gemüseseuchen die ganze Region verwüstete, blieb nur ihr Hof verschont, weil sie durch den Aberglauben der Nachbarn abgeschottet waren.
Lula verbrachte Tage damit, sich auszudenken, wie der Fluch diese Menschen schließlich einholte. Doch sie hatte die beherzte Familie lieb gewonnen, und ihre Phantasie weigerte sich, ein zerstörerisches Feuer, eine Überflutung oder ein Erdbeben heraufzubeschwören. Stattdessen lebten sie gesund bis ins hohe Alter, ihre schönen Kinder bekamen weitere schöne Kinder, und jedes Jahr wurde der Hof ertragreicher, die Lämmer fetter und verspielter, die Äpfel köstlicher.
Lula widmete dieser Geschichte mehr Zeit als allen anderen, die sie geschrieben hatte, und sie konnte sie am wenigsten leiden. Weil sie nicht daran glaubte. Wenn das Ackerland so fruchtbar war, hätte die Regierung es sich längst unter den Nagel gerissen, und die Familie zöge immer noch vor Gericht und versuchte, auch nur einen Apfelbaum zurückzubekommen. Auch konnte sie nichts mit der Lehre anfangen, die diese Geschichte zu verkünden schien: Kümmere dich nicht um die anderen und geh deinen eigenen Weg, dann wird das Leben schon gut werden. Ihrer Erfahrung nach konnte man die Regeln befolgen oder sich verweigern und war trotzdem dem heimtückischen Fallen der kosmischen Würfel ausgesetzt.
Aber trotz allem, was sie davon hielt, wären Mister Stanley und Don bestimmt begeistert. Tugend, Integrität, Mut, harte Arbeit, Belohnung – das waren die Geschichten, die sie hören wollten. Lula beschloss, sie ihnen nicht zu zeigen. Ihre Zustimmung würde sie nur verärgern. Sie fühlte sich nicht stark genug für ihr Lob. Andererseits wäre es vielleicht genau die Geschichte, die Zeke jetzt brauchen konnte. Tu das Richtige, folge deinem Herzen, mach unbeirrt weiter, und du bekommst die glücklichste Familie, die saftigsten Lammkoteletts und die süßesten Äpfel.
Sie druckte das Manuskript aus, klopfte an Zekes Tür und schob sie dann auf. Zeke lag voll bekleidet auf seinem Bett, verkabelt mit seinem iPod. Lula musste zweimal gegen das Bett treten, bevor er die Augen öffnete.
»Fleas Bite Dogs«, sagte er. »Ich liebe diesen Song. Willst du ihn hören?«
Lula sagte: »Warum brüllst du? Du solltest dir buddhistische Gesänge anhören. Hilfreich gegen Stress.«
»Das war Schwachsinn«, sagte Zeke. »Ich wusste, dass Dad voll darauf abfahren würde.«
»Er hat mich gefragt, ob das Geschenk des Buches darauf hinweist, dass du wie deine Mutter wirst.« Lula hätte sich am liebsten geohrfeigt. Sie hatte immer darauf geachtet, nicht weiterzugeben, was Vater und Sohn übereinander sagten. Vielleicht hatte sie es nur als Ausrede gebraucht, um Mutter sagen zu können, falls Zeke über seine reden wollte.
»Nie im Leben«, sagte Zeke.
Lula fragte: »Willst du lesen, was ich geschrieben habe?«
Zeke nahm das Manuskript. Kurze Zeit später kam er in ihr Zimmer.
»Ist das wirklich passiert?«, fragte er.
Lula nickte ernst. »Im Dorf meiner Oma.«
»Endkrass«, sagte Zeke.
Lula wusste, dass es nicht ihr Verdienst war, aber es fiel ihr trotzdem auf: Ein paar Tage nachdem er ihre Geschichte gelesen hatte, kam Zeke zum Sonntagsfrühstück und verkündete, er wolle aufs College gehen. Er sagte: »Ich schätze, das ist die einzige Möglichkeit, jemals lebend aus diesem Saftladen hier rauszukommen.«
Bei »Saftladen« zuckte Mister Stanley merklich zusammen, erholte sich aber rasch und sagte, beim College gehe es um mehr als die Flucht aus dem Familiensaftladen. Jedenfalls sei er erfreut, dass Zeke die richtige Entscheidung getroffen habe. Dann verschwanden die beiden in der »Bibliothek«, wo sie bis zum späten Nachmittag blieben.
»Fortschritte«, verkündete Mister Stanley, als sie schließlich wieder auftauchten.
Lulas neuer Job war es, Zeke beim Ausfüllen seiner College-Bewerbungen zu helfen, eine mühsame und komplexe Aufgabe, die er mit so seltener Beharrlichkeit anging, dass Lula sich schwer zusammenreißen musste, um nicht gekränkt darüber zu sein, wie sehr er fortwollte. Aber es war nicht nur das. Er wollte erwachsen werden. Jeder wollte das. Oder sollte es.
Als Zeke sie wegen der Bewerbungsaufsätze um Rat fragte, riet Lula ihm, sich die Internetseiten der Colleges anzusehen
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