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Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Titel: Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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sie geschluchzt. Ich war noch eine Stunde geblieben, um das Abendessen zu kochen und ein wenig Ordnung zu machen, während Finn und Henriette das kleine Eisbär-Video anschauten und Toni heulend daneben saß und stillte.
    Ich versuchte sie aufzumuntern, indem ich ihr von Vivi erzählte und wie gern Vivi mit einer gut versorgten Ehefrau wie ihr, Toni, tauschen würde. Aber ich hatte den Eindruck, als würde Vivis Single-Misere Toni herzlich wenig trösten.
    »Nicht mal in Alkohol ersäufen kann ich mein Unglück«, beschwerte sie sich. »Weil ich ja so blöd bin und mein Kind stille! Aber es würde mir abgesehen davon gar nichts nutzen, wenn ich Leander Fläschchen gäbe, weil mein Mann ja nie da ist, um es ihm zu geben! Weißt du, wie das ist, zehnmal in der Nacht aufzustehen, weil dein Säugling Hunger oder Blähungen hat? Und dazu kommt dann noch Finn, der so viel pinkelt, dass die Windel spätestens um Mitternacht undicht wird, und Henriette, die um fünf wach ist und ›pik, pik in dein Auge‹ spielt!«
    Wieder haltloses Geschluchze. Ich schob es auf den Dauerschlafentzug, dem Toni ausgesetzt war, und versprach, demnächst mal eine ganze Nacht bei ihr zu wachen, während sie mit Ohropax im Bett liegen dürfe.
    »Du kannst Milch für Leander abpumpen und tieffrieren«, sagte ich. »Wenn du genug für eine Nacht zusammenhast, kann’s losgehen.«
    Die Aussicht auf eine ganze Nacht ohne Unterbrechung hatte Tonis Tränen auf einen Schlag zum Versiegen gebracht. Sie hatte mich stürmisch umarmt.
    »Du bist mein Fels in der Brandung, Hanna. Du bist die Einzige, die sich um mich kümmert! Justus ist ja nie da, und Mama kommt immer nur für eine halbe Stunde am Tag. Danach ist das Chaos noch größer als vorher. Sie bringt mir ständig Bücher mit, die ich doch nicht lese, sie macht den Kindern Rastazöpfe, und am schlimmsten ist es, wenn sie für uns kocht! Aus dem Bulgureintopf neulich haben Henriette und Finn eine Art Schneebälle geformt und quer durch den Raum gepfeffert. Da oben neben der Lampe klebt noch ein Rest, siehst du’s? Mama hat nur gelacht und gesagt, ich soll mich freuen, dass die Kleinen so kreativ sind. Meine Schwiegereltern sind auch nicht besser: Ständig beschweren sie sich, dass sie die Kinder so selten zu Gesicht bekommen, dabei haben sie selber nie Zeit, weil sie entweder verreist oder auf dem Golfplatz sind. Ich hätte für mein Leben gern ein Au-pair-Mädchen, aber weißt du, was Justus dazu gesagt hat? Er hat gesagt, das vierte Zimmer bräuchten wir für ein viertes Kind!«
    »Das fehlte jetzt noch«, sagte ich besorgt.
    »Keine Angst, da passiert schon nichts«, beruhigte mich Toni. »Im Augenblick verhüte ich mit totaler Enthaltsamkeit. Das scheint mir nach den Erfahrungen der Vergangenheit das Sicherste zu sein.«
    Eigentlich war ich für den Abend mit Philipp zum Biolernen verabredet, aber als ich von Toni nach Hause kam, war er bereits mit Helena zu einer Party bei Freunden auf dem Land gefahren. Meine Mutter hatte Josts Abwesenheit ausgenutzt und ihnen den Schlüssel zum Mercedes ausgehändigt, damit die armen Kinder nicht auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen mussten. Jost war darüber nicht gerade erfreut, und ich war stinksauer, weil wir diesen Termin schon seit Tagen abgesprochen hatten und ich meinen schönen freien Samstagabend dafür geopfert hatte. Aber meine Mutter meinte, dass wir nicht immer nur an uns denken sollten, und dass der arme Junge doch wenigstens am Wochenende mal ein bisschen Spaß haben müsse.
    Den hatte der arme Junge offensichtlich gehabt, denn er und Helena waren erst heute im Morgengrauen zurückgekommen und hatten dabei einen Lärm veranstaltet wie Hirsche während der Brunftzeit.
    Ich war unausgeschlafen und immer noch stinksauer aus meinem Zimmer getapert.
    »Wenn ihr schon im Flur Sex haben müsst, dann bitte nicht so, dass die Bilder bei mir von der Wand fallen«, hatte ich gesagt und war mir dabei vorgekommen wie ein kleinkarierter Herbergsvater.
    Helena und Philipp hatten sich kichernd in Philipps Schlafzimmer verzogen.
    »Nur kein Neid, ey«, hatte Helena noch geflötet, bevor sie die Zimmertür hinter sich zugestoßen hatte. Sie machte es mir wirklich schwer, sie sympathisch zu finden.
    Natürlich schliefen die beiden noch, als ich den Kuchen in den Ofen schob, und sie schliefen auch noch, als ich ihn eine Stunde später wieder herausholte. Der köstliche Geruch, der sich in der Küche ausbreitete, hob meine Laune wieder ein wenig. Ich

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