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Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Titel: Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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die meine Mutter in der Magengegend hatte, in ihrem »Sonnenchakra«. Eine gewisse Zeit lang war es mir peinlich gewesen, dass die Hälfte aller Leute, die meine Mutter im Supermarkt grüßte, wussten, wie sie ohne Kleider aussah, aber mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt.
    Jost hatte immer schon vollstes Verständnis für alle Verrücktheiten gehabt, mit denen meine Mutter aufzuwarten wusste, auch vor fünf Jahren, als sie für Monate nach Indien ging, um sich selbst neu zu finden. Sie brachte von dort den schönen Namen Keilash und noch mehr abgedrehte Ideen mit. Jost, immer noch verliebt wie am ersten Tag, benutzte solidarisch und ohne mit der Wimper zu zucken Mamas Vokabular, er sagte »Göttin« und »Schwingung« und »das Kind in mir«. Seit er sich vor etwa einem Jahr hatte frühpensionieren lassen, nahm er sogar manchmal mit Mama an Seminaren teil, mit Titeln wie: »Energie durch Chakrenstimulanz« oder »Mit meditativem Tanz zur inneren Mitte«, und nie hörte man ein Wort des Spottes von ihm.
    Nur, wie gesagt, wenn es um unsere Ausbildung ging, stellte er sich Mama energisch entgegen.
    »Diese Helena fliegt raus«, sagte er jetzt. »Jedenfalls solange, bis Philipp sein Abi hat.«
    »Ach, das wird dem armen Jungen das Herz brechen«, verlegte sich Mama auf eine andere Taktik. »Er ist doch so verliebt …«
    »Er wird’s überleben.« Ich sah ungeduldig auf die Uhr. Wenn ich mich nicht beeilte, würde ich Boris68 noch verpassen. »Ich muss gehen, mein Computer wartet.«
    »Was denn, so spät noch Arbeit?«, fragte Mama. »Das Leben besteht doch noch aus anderen Dingen, mein armes Kind!«
    Nur um sie zu ärgern, sagte ich: »Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Schlaft schön, ihr beiden.«
    »Wir werden es versuchen«, seufzte meine Mutter.
    In unserer Wohnung brannte nirgendwo Licht. Aber unter Philipps Tür kam ein schwacher Lichtschein hervor, und ich vermutete, dass Philipp und Helena dort bei Kerzenschein miteinander im Bett lagen. Nach den Geräuschen zu urteilen, die durch die Tür drangen, fragten sie einander dort keine Vokabeln ab.
    Na egal, morgen war auch Zeit, Helena unter die Brücke zurückzuschicken. Oder in die Fabrikhalle, in ihrem Fall. Ich hatte jetzt jedenfalls Wichtigeres zu tun.
    Das Sushi hatte mich nicht wirklich satt gemacht, und der WC-Frischestein in Lorenzos Drinks verlangte nach etwas, was seinen Geschmack überlagerte. Ich machte mir also noch ein paar Käsebrote, bevor ich den Computer anwarf.
    Genüsslich kauend loggte ich mich Punkt zwei Minuten nach Mitternacht im Testchat ein.
00.02 Uhr Fairy33a betritt den Raum.
    Als Erstes checkte ich die Anwesenheitsliste. Es war kaum zu glauben, aber Tigger11, Sumpfhuhn, Pumuckl08/15 und RitaS waren doch tatsächlich schon wieder da. Und ein Individuum namens Hotcat12. Nur von Boris68 war keine Spur zu sehen. Ich ersparte es mir diesmal, die anderen zu grüßen, und niemand nahm von mir Notiz, nicht mal RitaS. Sie lieferten sich ihre üblichen Babysprache-Dialoge.
Tigger11: Biste böse auf mich, Pumi?
Pumuckl08/15: Ja! *heul. schluchz. schluck. Du bissa so demein zum dleinen Pumuckl …
    Offensichtlich fand Hotcat12 das auch alles zum Gähnen.
00.04 Uhr Hotcat12 verlässt den Raum.
    Ich wäre ja auch gegangen, aber ich wartete noch auf Boris.
    00.05 Uhr. Das Telefon klingelte. So spät konnte es eigentlich nur jemand sein, der sich verwählt hatte. Oder meine Mutter, die nicht schlafen konnte, weil die Mondin so hell schien und ihre jüngste Tochter ein aus der Art geschlagener Steuerzahler war.
    »Ja, was gibt’s denn?«, sagte ich ungeduldig.
    »Du musst mir helfen!« Es war nicht meine Mutter, es war Vivi. »Es ist wieder passiert«, sagte sie mit undeutlicher Aussprache. Offensichtlich hatte Lorenzo noch ein paar Drinks gemixt.
    »Hast du etwa schon wieder den Herd angelassen?« Das war Vivi bereits zweimal passiert, und jedesmal war ihre Wohnung abgefackelt. Obwohl es beide Male »nur« ein Schwelbrand gewesen war, hatte Vivi ihren gesamten Hausrat erneuern müssen. Selbst die Klamotten im Kleiderschrank waren unbrauchbar gewesen. Beim ersten Mal hatte die Versicherung nicht zahlen wollen, weil Vivi angeblich unterversichert war, beim zweiten Mal, weil es zu schnell nach dem ersten Mal kam. Vivi hatte sich schon von der Brücke stürzen wollen, aber ich hatte einen heftigen Papierkrieg mit der Versicherung geführt, bis sich alles zum Guten gewendet hatte. Mittlerweile war ich ein richtiger

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