Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)
Witz!
»Na, einen schönen Tag gehabt?«
»Einen besseren als du, vermutlich«, sagte ich. »Aber er war immer noch ziemlich beschissen.«
»In drei Wochen fangen die Abiturprüfungen an«, sagte Jost. »Ich hab ihnen gesagt, wenn mein Sohn bis zum Wochenende nicht aus dem Bett raus ist und zu lernen angefangen hat, ziehe ich ins Hotel.«
»Na prima, dann haben sie ja noch einen Grund mehr, sich selbst zu bemitleiden.«
»Ich mein’s ernst, Hanna. Das mache ich nicht mehr mit.« Jost erhob sich. »Diesmal geht sie einfach zu weit. Übrigens, du hast eine E-Mail von einem gewissen Boris bekommen. Ich hab’s natürlich nicht gelesen.«
»Hättest du aber ruhig.« In Boris’ E-Mails stand im Großen und Ganzen immer dasselbe: Dass er sich Sorgen mache, weil ich schon seit Tagen nicht mehr zurückgeschrieben hatte, und ob etwas passiert sei. Ich antwortete nie. War doch schön, dass sich zur Abwechslung mal jemand um mich Sorgen machte.
»Wenn du ausziehst, dann suche ich mir auch eine Wohnung«, sagte ich. »Wie wär’s? Gründen wir eine WG?«
Jost lächelte. »Ich hoffe immer noch, dass es nicht so weit kommt.«
Als er gegangen war, setzte ich mich an den Schreibtisch und öffnete Boris’ E-Mail.
Datum:
03.04. 13.29 Uhr
Empfänger:
Absender:
Betreff:
Kein Aprilscherz
Fairy,
es ist etwas passiert, und ich muss dich unbedingt persönlich sprechen. Bitte melde dich, wenn du noch lebst.
Irgendetwas an der Art wie er schrieb, rührte meine hart gewordenes, zellophangewickeltes Herz. Armer Boris. Er konnte ja nun wirklich nichts für all die schrecklichen Sachen, die geschehen waren. Seufzend klickte ich auf »Beantworten«.
Datum:
03.04. 20.15 Uhr
Empfänger:
Absender:
Betreff:
Re: Kein Aprilscherz
Ich lebe noch, Boris, tut mir Leid, dass ich so lange nichts von mir habe hören lassen. Aber ich hatte wirklich gute Gründe. Was ist denn passiert?
Datum:
03.04. 20.18 Uhr
Empfänger:
Absender:
Betreff:
Re:Re: Kein Aprilscherz
Ich habe mich in dich verliebt, das ist passiert!
Ich muss dich dringend treffen, um ein paar grundlegende Dinge zu klären. So bald wie möglich.
B.
Ich starrte eine Weile Löcher in den Bildschirm. Schon wieder ein Problem, das ich nicht lösen konnte. Aber sollte ich deswegen Schuldgefühle bekommen? Nein, damit war jetzt ein für alle Mal Schluss.
16. Kapitel
D iesmal hat Alex nach meiner Telefonnummer gefragt«, sagte Carla. »Aber heißt das auch, dass er anrufen wird?«
»Keine Ahnung«, sagte ich, und es war mir im Grunde auch egal. Ich wollte an meiner Enthüllungsstory über Claires zweifelhafte Machenschaften in Zellophan arbeiten, aber Carla störte mich dabei. Sie saß auf meinem Schreibtisch und baumelte mit den Beinen.
»Weißt du, diesmal war er eigentlich überhaupt nicht mehr langweilig«, sagte sie. »Es ist merkwürdig, aber ich musste die ganze Zeit daran denken, dass er ja auf Sex an ausgefallenen Orten steht. Im Aufzug hatte ich richtige Schweißausbrüche deswegen.«
Ich hätte ein schlechtes Gewissen bekommen sollen, wegen der völlig abwegigen Vorstellungen, die ich Carla von Alex’ sexuellen Vorlieben vermittelt hatte, aber ich spürte nichts dergleichen. Mit meiner Lebensfreude hatten sich auch meine Schuldgefühle verflüchtigt. Ich trauerte ihnen nicht nach. Wäre ich noch die alte Hanna gewesen, hätte es mir sicher zu schaffen gemacht, dass Marianne am Schreibtisch schon den ganzen Morgen über den gesammelten Zeitungsausschnitten brütete, die Cordula vom Kosmetikressort zum Thema Schönheitschirurgie gesammelt hatte, dabei geistesabwesend an einem Marsriegel lutschte und sich von Zeit zu Zeit prüfend an den Busen griff. Sie hatte wahrscheinlich gehört, was ich Alex über ihren Hängebusen Modell Postsack gesagt hatte, aber wenn sie sich meinetwegen operieren ließ, bitteschön! Jeder konnte doch sein Geld nach seinem Gutdünken aus dem Fenster werfen, oder etwa nicht? Ohne Schuldgefühle konnte ich auch eine wunderbar-sarkastische Geschichte über Claires Wellness-Farm schreiben, nach deren Erscheinen sie sich vermutlich einen neuen Job suchen konnte. Das hatte sie sich selber eingebrockt. Hätte sie besser mal nicht beim Vermessen geschummelt, konnte ich nur sagen.
Carla ließ mich schließlich allein, aber ich konnte fünf Minuten an meinem Artikel schreiben, da rief Alex an.
»Ich habe die Telefonnummer von deiner Freundin Carla«, sagte er.
»Ich weiß.«
»Soll ich
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