Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
Vom Netzwerk:
ihr in Andeutungen von dem Abend erzählt, woraufhin man gemeinsam zu dem Schluß gekommen war, besser den Notarztwagen zu rufen und Tonis Reserveschlüssel zum Einsatz zu bringen.
    *
    Toni saß bis spät in die Nacht an meinem Ausnüchterungsbett und hielt Händchen. Das rechnete ich ihr hoch an, zumal ihr im Frühstadium ihrer Schwangerschaft hundeelend war. Gern hätte ich mit ihr angestoßen, aber mir stand ausnahmsweise überhaupt nicht der Sinn nach Alkohol, und Toni lebte logischerweise sowieso abstinent.
    Im Prinzip sprachen wir in einer Tour über dieselben Sachen. Ich über mein versautes Leben, Toni über ihren Zellklumpen.
    »Ich bin am Ende«, lamentierte ich, ohne auch nur eine Träne vergießen zu können.
    »So ein Quatsch«, erwiderte Toni.
    Und ich entgegnete: »Gar kein Quatsch. Wie soll es denn noch schlimmer kommen? Ich hab vermasselt, was man nur vermasseln kann. Toni, ich bin fertig, einfach fertig!«
    »Reiß dich am Riemen, und hör vor allem mit der Sauferei auf.«
    »Wozu?«
    »Um endlich zu kapieren, daß weder Oskar noch Skip, noch Karl der Richtige für dich ist. Was ist eigentlich so schlimm daran, mal eine Zeit solo zu sein?«
    »Gar nichts.«
    »Dann verstehe ich nicht, warum du dich gleichzeitig in drei halbherzige Affären verstrickst und an den Typen hängst, als würdest du sie am liebsten alle drei heiraten wollen.«
    Darauf schnaubte ich nur beleidigt in meine Überdecke und sagte nichts. Irgendwie hatte Toni recht, und es ärgerte mich, daß sie den Sachverhalt so nüchtern auf den Punkt brachte.
    »Such dir lieber einen vernünftigen Job, solange du noch auf die große Eingebung wartest. Das bei Oskar ist doch nichts …«
    »Hat sich wahrscheinlich sowieso erledigt. «
    »Womit wir mal wieder beim Thema Garderobe sind …«
    Vielleicht hatte Toni auch in diesem Punkt recht, aber sie brauchte das Wort Garderobe nur auszusprechen, und schon machte ich dicht. Grund genug für Toni, einfach auf ihre Schwangerschaft überzuleiten.
    »Mir ist irgendwie reichlich übel«, sagte sie beifallheischend.
    »Du hast es so gewollt. Wahrscheinlich kriegst du auch ganz schreckliche Kreislaufschwierigkeiten. «
    Toni sah mich verärgert an. Klar, daß sie so etwas nicht hören wollte.
    »Wasser in den Beinen, trockene Haut, das Gewebe reißt, Schwerfälligkeit, Freßanfälle …«, zählte ich weiter ungerührt auf. »Aber wie gesagt … Du hast es so gewollt.«
    »Ja, habe ich! Und trotz allem bin ich glücklich.«
    »Und ich todunglücklich.«
    Daraufhin umarmten wir uns, und Toni machte mir den überaus sinnvollen Vorschlag, sie im Endstadium ihrer Schwangerschaftund auch in der ersten Zeit nach der Geburt in der Solistengarderobe zu vertreten. Das war dann der Moment, in dem ich bedauerte, infolge meines Alkoholexzesses nicht über den Jordan gegangen zu sein.
    *
    Du packst es, sagte ich mir, als ich wieder zu Hause war, und brachte meine Wohnung in einem Gewaltakt in Ordnung. In Anbetracht meiner kleinen Erbschaft war die Verlockung groß, vorerst gar nicht mehr zu jobben. Da ich mir jedoch vorgenommen hatte, meine Diebesstreifzüge – eindeutiges Symptom meiner allgemeinen Verrohung – ganz sein zu lassen, ich aber dennoch weiterhin hemmungslos Schuhe kaufen wollte, verstaute ich als erstes meine Perücken ganz oben im Schrank und erkundigte mich trotz aller Bedenken an der Oper nach einem Job.
    Aber Fehlanzeige. Nicht mal die Garderobe wollte mich haben. Das machte mir nun doch etwas aus, zumal Oskar sich nicht meldete, um neue Termine mit mir abzusprechen. Verschissen bis in alle Ewigkeit. Leider Gottes tat es auch noch weh.
    Doch da ich mir Tonis Worte, mich endlich zusammenzureißen, zu Herzen genommen hatte, schaute ich zähneknirschend bei H & M vorbei und fragte nach einem Aushilfsjob. Vielleicht war es auch nur meine ganz persönliche Rache an Oskar. Ich staunte, daß man mich sofort einstellen wollte, obwohl mein Styling und mein  alterndes Gesicht mit Sicherheit nicht in das Schema einer hippen Verkäuferin paßten. Wir einigten uns auf fünfzehn Stunden die Woche. Das reichte – zumal ich in der momentanen Schlußprobenphase genug an der Oper zu tun hatte.
    Leider Gottes war der H & M-Job weitaus schlimmer als der bei Oskar. Nichts mehr von wegen Pralinen essen und Modezeitschriften durchblättern. Den lieben langen Tag stand ich mir die Beine in den Bauch, entweder beim Ausgeben der Nummernschilder an den Kabinen oder beim Eintüten der Klamotten an der Kasse, aber am

Weitere Kostenlose Bücher