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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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jedem Bissen mit einem Stück Weißbrot hastig über den Teller zu fahren.
    »Schmeckt hervorragend.« Immer hübsch vom Thema ablenken. Nicht daß er noch die Sache mit Adriano aus mir rausquetschte.
    »Du hast offensichtlich kein Problem damit, gleich beim ersten Mal mit einem Mann ins Bett zu steigen.«
    Wenn das ein Affront sein sollte, war es vielleicht das beste, ihm sofort den Wind aus den Segeln zu nehmen.
    »Nö«, sagte ich nur, wobei ich das »ö« besonders lange ausklingen ließ.
    Karl sah kurz hoch, seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Er organisierte sich noch eine Scheibe Brot, brach sie in zwei Hälften, aber anstatt weiterzuessen, rollte er die eine Hälfte bedächtig zwischen seinen Fingern. Wollte er noch etwas sagen? Traute er sich nicht? Sein Teller war bereits leer, und weil ich dieses Schweigen so unerträglich fand, schob ich ihm meine restlichen Antipasti rüber.
    »Danke.«
    Karl aß ungerührt weiter. Und später, als der Kellner die Hauptspeisen servierte, erklärte ich Karl, daß wir ja schließlich nicht mehr in einer Zeit lebten, in der man bis zum ersten Mal Jahre verstreichen lassen mußte, und daß sich Frauen in Sachen Sex bitte schön das gleiche wie Männer rausnehmen durften.
    »Natürlich. Ja …«
    Karls Fisch dümpelte in beeindruckender Größe auf seinem Teller. Behende schlitzte er das Vieh auf, beförderte auf sehr sanfte Weise zartes Fleisch zutage und hielt mir die Gabel hin.
    Ich schnappte mir den Bissen, und während sich ein unglaublich delikater Fischgeschmack in meinem Mund ausbreitete, dachte ich, Fisch zu essen ist wirklich die beste Art der Friedenspfeife. Danach griff ich zur Parmesanmühle, um meine Nudeln gegen alle Regeln der Etikette mit einer üppigen Menge Käse zu bestreuen.
    »Du könntest morgen mit ins Studio kommen«, schlug Karl vor, als hätten wir nicht gerade eben noch Fragen der Moral diskutiert.
    »Wie meinst du das?« fragte ich. Ich stellte es mir etwas unangenehm vor, Karl beim Stöhnen zuzugucken.
    »Okay, du mußt ja nicht. Kannst dir von mir aus auch die Stadt anschauen. Ich dachte nur, es würde dir vielleicht Spaß machen …«
    Karl aß zügig, aber keineswegs unappetitlich.
    »Mal sehen.«
    Wenn ich ehrlich war, hatte ich keinen blassen Schimmer, was ich überhaupt in Berlin anstellen sollte. Museen besuchen, ziellos durch die Straßen laufen – es war doch sowieso nur eine Flucht, nichts Halbes und nichts Ganzes.
    Beim Nachtisch verkündete Karl, wie wahnsinnig er sich darüber freue, mich zu Gast zu haben. Denn es sei bei einer zufälligen Begegnung wie der unsrigen ja nicht selbstverständlich, daß es noch ein Nachspiel geben würde. Ich wußte nicht genau, wie er das mit dem Nachspiel meinte, aber es war auch egal. Denn eines stand sowieso fest: Karl hatte einen Narren an mir gefressen, und ich wollte nicht ein zweites Mal mit ihm ins Bett.
    *
    Die Nacht verlief dann zu meiner vollsten Zufriedenheit. Karl entließ mich nach einem Grappa und ohne die geringste Annäherung ins Gästezimmer, wo ich mich wie ein Stein aufs Bett fallen ließ und schon nach wenigen Minuten am Einschlafen war. Kein Liebeskummer mehr. Den hatte ich verdrängt und hinter einer schallisolierten Mauer weggeschlossen.
    Am nächsten Morgen fragte Karl mich zum zweiten Mal, ob ich nicht mit zu seinem Job kommen wolle. Er hatte Croissants geholt und diese neben Melonenvierteln und verschiedenen Käse- und Salamisorten auf der Küchenablage drapiert.
    Zwar hielt ich es für unpassend, mich im nachhinein wegen des halb verschimmelten Frühstücks, das ich ihm kürzlich angeboten hatte, zu schämen, aber es war schon beeindruckend, wie dieser Mann sich ins Zeug legte.
    »Besser, ich lasse dich in Ruhe arbeiten«, schlug ich vor. In Wahrheit hatte ich definitiv keine Lust auf Karls Lustgestöhne, doch das mußte ich ihm ja nicht so direkt sagen. Karl brachte noch den Einwand, ich würde mich in der Stadt gar nicht auskennen, woraufhin ich erwiderte, gerade deshalb sei es wohl angebracht, wenn ich mich ein wenig umtun würde.
    »Wie du meinst.« Karl stand auf und verschwand in seinem Schlafzimmer. Wenig später kam er mit einem Stadtplan zurück. Ich nahm derweil ein Croissant und tunkte die Spitze in meinen Milchkaffee.
    »Was schlägst du für den Anfang vor?«
    »Unter den Linden, Friedrichstraße, Gendarmenmarkt, Hackesche Höfe, Oranienburger Straße. Kannst quasi alles zu Fuß machen.«
    Er zeigte mir den Bezirk auf dem Stadtplan, belegte dann ein

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