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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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gleich – leider –, denn sein Schuhwerk schnitt nicht gerade mit einer Glanznote ab. Marineblaue, geflochtene Slippers mit abgelaufenen Hacken. Erbarmen.
    Wir fuhren ein paar Stationen; am Hackeschen Markt stiegen wir auf eine leuchtendgelbe Straßenbahn um.
    »Kann es sein, daß du einen Schuhtick hast?« fragte Karl später, als wir eine Straße entlanggingen, deren Bäume in zartem Grün flirrten.
    »Alles kann sein«, murmelte ich.
    »Therapiebedürftig?«
    »Kann auch sein.« Wahrscheinlich sah ich extrem beleidigt aus.
    »Aber ich bin nicht zu therapieren. Hoffnungsloser Fall …«
    Karl erwiderte nichts, friemelte statt dessen seinen Haustürschlüssel aus der Tasche.
    »Macht es dir etwas aus, fünf Stockwerke zu Fuß zu gehen?« fragte er. »Der Fahrstuhl ist defekt.«
    Ich fing an zu lachen und griff nach meiner Tasche. Das wollte ich meinem Gastgeber nun wirklich nicht zumuten. Aber Karl war ganz Gentleman. Er nahm mir die Tasche wieder ab, begann jedoch schon nach der ersten Treppe zu schnaufen.
    »Ich weiß gar nicht, wo wir all deine Schuhe hinstellen sollen«, japste er.
    »Sie können in der Tasche bleiben. Hauptsache, ich habe sie griffbereit.«
    Karl erwiderte nichts. Sein Schnaufen steigerte sich zu einem asthmatischen Röcheln. Zudem drehte er sich mit finsterer Miene nach mir um.
    »Oder soll ich wieder fahren?« frohlockte ich.
    Karl ließ die Tasche einfach auf den Treppenabsatz plumpsen, schloß mich in seine Arme und küßte mich. Energisch stieß ich ihn von mir.
    »So haben wir nicht gewettet!« Ich griff nach meiner Tasche und wollte sie wieder nach unten schleppen.
    »Syl – vie!« Karls Stimme klang wie die eines Oberoffiziers.
    Ich drehte mich um. Ein Schweißrinnsal lief ihm die Wange runter.
    »Es kommt nicht wieder vor. Wenn du nicht willst …«
    Plötzlich ging die Wohnungstür zu unserer Linken auf, und eine ältere Dame in einem fliederfarbenen Nickianzug und in farblich passenden Frotteelatschen steckte ihren Kopf durch die Tür.
    »Kann ich Ihnen helfen, Herr Armknecht?« fragte sie. »Soll ich meinen Mann holen?«
    »Alles in Ordnung, Frau von Hentig. Tut mir leid, wenn wir etwas zu laut waren.«
    Seine Wangen röteten sich, diesmal dezent, die Wohnungstür schloß sich wieder; und ohne weitere Zwischenfälle trug Karl meine Tasche nach oben in die Dachgeschoßwohnung. Fortan wurden die Themen Zungenkuß am hellichten Nachmittag und Schuhe in Reisetaschen ausgespart.
    Karls Wohnung war ein Meisterwerk an verschwenderischem Lichteinfall. Wohn-, Schlaf- und Gästezimmer hatten verglaste Fronten, im Minibad war ein Deckenfluter eingebaut, zudem gab es eine Miniküche und – das Großartigste überhaupt – eine Dachterrasse, die Karl mit lauter Pappeln im Bonsai-Format, einem blau-weiß gestreiften Liegestuhl und ein paar leeren Weinflaschen auf mediterran getrimmt hatte.
    »Wow!« sagte ich nur und dachte dabei an meine vermuffte kleine Bude.
    Während Karl meine Tasche ins Gästezimmer hievte, schaute ich mich im Wohnzimmer um. Zwei ganze Wände waren mit Bücherregalen bestückt, viel französische Literatur im Original, außerdem massenhaft Kochbücher. Rechts von der Dachterrassentür prangte ein sonnengelbes Sofa, es gab keinen Tisch, nur drei aufeinandergestapelte Bürokästen, die als Ablage für ein paar Zeitschriften dienten. Keins seiner Amphibienbilder hing an den Wänden, auch sonst gab es keine Bilder, nur etliche getrocknete Rosensträuße, die an Türgriffen und Fensterrahmen dekoriert waren. Ohne daß ich etwas davon mitbekommen hatte, war offensichtlich eine neue Sorte Mann herangewachsen, die kein Auto fuhr, mit Leidenschaft Kochbücher las und Bastelarbeiten der ländlichen Art liebte.
    Karl kam jetzt aus dem Gästezimmer und fragte, ob ich etwas trinken wolle, später könne man ja essen gehen.
    »Kaffee?« fragte ich.
    »Gern.«
    Ich folgte Karl in die Küche, die – obwohl winzig – ein ganzes Sammelsurium an ausgefallenen Küchengeräten beherbergte. Eine Saftpresse aus Chrom, einen Toaster im Stil der fünfziger Jahre, eine glänzend rote Kitchen-Aid und eine ziemlich wuchtige Espressomaschine.
    Mit diesem Ding bereitete er uns jetzt Cappuccino zu, holte kleine Schokokekse aus dem Küchenschrank und hatte schon mein Herz erweicht. Was nicht bedeutete, daß ich vorhatte, mit ihm zu schlafen – dafür war mir der Mann mittlerweile fast zu schade. Zumal wir uns auch noch bestens über mein Studium, Kochrezepte und Küchenmaschinen unterhielten. Erst

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