Lügen & Liebhaber
ich.
Am anderen Ende meldete sich ein gewisser »Ich«, dessen Stimme mir gar nichts sagte. »Skip«, ließ die Person schließlich verlauten. »Du erinnerst dich? ›Oxymoron‹?«
»Ja … Sicher …«
Mein Herz galoppierte. Hastig schluckte ich den Brei aus Brot, Butter und Käse runter. Skip war doch der, dem ich meine Telefonnummer quasi aufgezwungen hatte, und daß er sich bei mir melden würde – hey! –, damit hatte ich nach seinem plötzlichen Abgang gar nicht mehr gerechnet.
Ohne große Umschweife erzählte Skip, er sei wegen einer Boy-Group-Geschichte in Hamburg, er habe Lust, mich zu treffen, und falls ich das auch hätte, könnten wir doch vielleicht heute abend …
Zwar fühlte ich mich durchaus geschmeichelt, aber heute fand die Premiere statt, und im Anschluß wollte ich auf die Premierenfeier gehen, wo es aufgestylte Semi-Promis und leckere Häppchen zu bestaunen geben würde.
Skip wunderte sich erst eine Weile darüber, daß ich an der Oper jobbte, schlug dann vor, mit zur Feier zu kommen, sein Presseausweis würde ihm schon Tür und Tor öffnen.
»Gut. In Ordnung«, sagte ich schließlich, wobei mir zunächst die Tragweite der Konsequenzen nicht klar war. Ich nannte ihm den Bühneneingang als Treffpunkt, elf Uhr, und nachdem wir das Gespräch beendet hatten, merkte ich, wie wenig Lust ich im Grunde darauf hatte, Skip und mich zum Anlaß für Spekulationen zu machen. Nein, er ist nicht mein Freund, würde ich wieder und wieder sagen müssen, und alle würden schauen und sich das Maul zerreißen. Okay, ich war ein bißchen scharf auf ihn gewesen, aber erstens lag diese Anwandlung schon einige Tage zurück, zweitens war sie hormonell bedingt gewesen und drittens … Ach – eigentlich wußte ich gar nicht, was ich wollte. Mir Karl schönreden? Mich über Konstantin aufregen? Oder einfach nur Adriano vergessen, der mir immer noch wie verdorbener Fisch im Magen lag?
Reichlich schlecht gelaunt machte ich mich wenig später auf den Weg in die Oper und mußte mich dann in der Maske gleich von unserer Nachwuchsmaskenbildnerin Anna wegen meiner babyweichen Haare zusammenstauchen lassen. Als großes Vorbild wurde mir Beata hingehalten, ihres Zeichens Schlampevom Dienst und allem, was mit Wasser zu tun hatte, nicht sehr zugetan.
Anna rackerte sich wirklich ab, aber die Banane gelang ihr erst, nachdem sie mein Haar angefeuchtet und etliche Male mit Spray eingenebelt hatte. Zur Strafe trug sie besonders viel weißliche Grundierung auf, und mit dem pinkfarbenen Rouge und dem lila Lippenstift erinnerte ich dann wenig später an ein fleischgewordenes Bonbon. Einzig tröstend war, daß man bei den anderen Mädels in Sachen geschmackloser Farbgebung ebenfalls nicht gegeizt hatte.
Kurz vor sieben war Stellprobe im Ballettsaal. Konstantin sah mit seiner Schminke aus, als habe er frisch erbrochen. Zum Glück roch er nicht auch so.
Er begrüßte mich mit einem vertraulichen Schlag auf die Schulter, was ich jedoch geflissentlich ignorierte. Immerhin tanzte er ganz manierlich. Grund genug zu hoffen, daß er auch im Ernstfall nicht danebenhauen würde.
Als wir eine Dreiviertelstunde später auf der Seitenbühne standen, bekam ich aus völlig unerfindlichen Gründen Lampenfieber. So etwas war mir im Laufe von sechs Jahren noch nie passiert. Um mich abzulenken, dachte ich an Skip. Leider wollte sich nichts weiter als totale Emotionslosigkeit einstellen. Skip bedeutete mir im Grunde doch nicht mehr als irgendeine x-beliebige Bekanntschaft. Gut – er sah nicht übel aus, außerdem bekam mein Ego ein paar Streicheleinheiten, aber das war auch schon alles. Was fing man mit einem interessant aussehenden Mann an, für den man so gar kein Gefühl hatte?
Es blieb keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, weil ich in unserer Tänzerinnenkolonne nach draußen geschoben wurde. Konstantin wartete bereits in sorgsam einstudierter Machohaltung, die ihm sichtlich zu gefallen schien. Er wirkte immer noch wie nach einem Darminfekt.
»Toi, toi, toi.« Konstantin spuckte über meine Schulter. Mit einem etwas weniger gespuckten »Toi, toi, toi« erwiderte ich seine Geste.
Dann ging alles seinen gemeinen Gang. Was niemand hättevoraussehen können: Konstantin war in seiner gnadenlosen Unmusikalität nicht in der Lage, sich dem schnelleren Tempo des Dirigenten anzupassen. Seine Schritte wurden hektisch, er verhedderte sich mit meinem Bein, drängte mich ungewollt Richtung Bühnenmitte, wo wir mit einem anderen Paar kollidierten,
Weitere Kostenlose Bücher