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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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niemand findet ihn scharf.«
    Konstantin grinste gerade in diesem Moment zu uns rüber, ich erwiderte sein Grinsen mit einem besonders anzüglichen Augenaufschlag.
    »39?« fragte Bernd. Er hielt mir ein Paar hochhackige Pumps in einem schrillen Grünton hin.
    »Muß ich die wirklich anziehen?«
    »Ich fürchte, ja. Das Leben ist hart, Kleines.«
    Vor mich hin schimpfend schlüpfte ich in die Schuhe, schnappte mir sogleich Bernd und walzte ein paar Takte mit ihm.
    »Geht doch«, murmelte der und fügte hinzu, ich würde in den Schuhen ganz wundervoll aussehen.
    Über Geschmack läßt sich ja bekanntlich streiten.
    Die Probe war dann halbwegs in Ordnung. Konstantin stellte sich beim Pas de deux – eine Art Lambada, vermischt mit Walzerelementen – weniger dumm an als befürchtet. Das einzig wirklich Widerliche waren seine feuchten Hände und sein Atem an meinem Nacken. Zum Glück redete er wenigstens kein dummes Zeug, auch wenn ich es nur der Tatsache zu verdanken hatte, daß er sich voll und ganz auf seine Fuß- und Beinarbeit konzentrieren mußte.
    Am Ende der Probe drehte ich mich, ohne einen Ton zu sagen, um und stob aus dem Saal. Nach einem kurzen Abstecher bei Toni in der Garderobe und nachdem wir mein Gepäck aus ihrem Auto geholt hatten, war es Zeit, endlich nach Hause zu fahren, mich mit einem Glas Wein ins Bett zu legen und es mir – soweit möglich – gutgehen zu lassen. Doch daraus wurde nichts.
    Die zweite Person, die mir nach Adriano an diesem Tag die Laune verdarb, war mein Vater. Man staune, aber er war auch endlich mal auf die Idee gekommen, mir zu meiner Magisterprüfung zu gratulieren. Das sah folgendermaßen aus:
    Tübingen im Mai
    Liebe Sylvie,
    es hat mich außerordentlich gefreut, von Deiner Gesamtnote zwei zu erfahren. (Subtext: Keine Eins? Wirklich bedauerlich!) Daß Du Dich dem sonst eher wenig beachteten Mittelalter zugewandt hast – alle Achtung (Subtext: Mit Hugo von Hofmannsthal hättest Du besser gelegen.), aber Weickel ist/war auf seinem Gebiet ja auch wirklich eine Koryphäe. (Subtext: Weickel hat es im Gegensatz zu mir nie zu wissenschaftlichem Ruhm gebracht.) Es war sicherlich ein Schock, ihm bei seinem Ableben zuzusehen. (Subtext: Wie gut, daß ich nicht mit ansehen mußte, wie der Idiot abgekratzt ist.)
    Was willst Du jetzt eigentlich mit Deinem Leben anfangen? (Subtext: Aus Dir wird ja sowieso nichts.) Vielleicht kann ich Dir irgendwie behilflich sein. Du kennst ja meine Sprechstundenzeiten. (Subtext: Bilde Dir ja nicht ein, Du hättest als meine leibliche Tochter mehr Privilegien als meine Studenten.)
    Vater
    Ich überflog den Brief ein zweites Mal und war dann um so mehr der Meinung, daß ich ihn nur zerreißen konnte. Statt zu weinen, warf ich zwei Johanniskrauttabletten ein und spülte mit einem Grappa nach. Dann mit einem zweiten. Alles für die Nerven.
    Auf einmal sehnte ich mich nach Karl, der einzigen Bastion in meinem sonst so sinnentleerten Leben. Ich wählte seine Nummer, er war auch sofort am Apparat, aber seine Stimme hatte nichts mehr von der Wärme, auf die ich schon geglaubt hatte, zählen zu können.
    »Ich ruf dich zurück«, sagte er bloß, und als ich aufgelegt hatte, mußte ich tatsächlich weinen. Karl meldete sich eine Dreiviertelstunde später. In der Zwischenzeit hatte ich mir noch einen weiteren Grappa einverleibt und fühlte mich ein wenig besser.
    »Bist du erkältet?« fragte Karl. Sofort war er wieder der alte.
    »Nö.«
    »Irgendwas ist doch.«
    »Nein, wirklich nicht«, brachte ich noch hervor, bevor ich wieder zu weinen anfing.
    Was dann kam, war ziemlich peinlich. Karl tröstete mich, wieman normalerweise ein Kleinkind tröstet, und ich ließ es mir gern gefallen. Zu allem Überfluß erkundigte ich mich, ob wir eigentlich ein Paar wären.
    »Natürlich sind wir das. Das heißt, ich empfinde es so. Und wenn du es auch so siehst …«
    »Ja«, sagte ich schwach und fragte mich nicht mal mehr, worauf ich mich da in Gottes Namen einließ.
    »Komm doch bald wieder.« Er atmete schwer in den Hörer.
    »Meine Dachterrasse vermißt dich ganz außerordentlich.«
    »Ich vermisse dich auch«, sagte ich, wo ich schon mal so schön am Süßholzraspeln war.
    Karl machte eine Pause. Und dann noch eine. Und bevor aus lauter aneinandergereihten Pausen noch längere und unangenehmere Schweigeminuten wurden, erklärte ich Karl, ich sei im Moment unabkömmlich, wegen der Proben und so, und da er auch nicht wegkönne, weil er als Schnauzbart-Fred sicherlich noch

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