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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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Mund gaben ihm einen markanten Touch.
    Oskar schälte sich jetzt umständlich aus seinem Gehrock und krempelte die Ärmel seines weißen Hemdes hoch. Ich liebte es, wenn Männer weiße Hemden trugen, und wenn sie mir dann noch einen Blick auf ihre Unterarme gewährten, liebte ich mindestens auch noch ihre Arme. Oskar hatte wunderschöne Unterarme. Kräftig, aber nicht zu muskulös, auf heller Haut sprossen feine, rotblonde Haare.
    Ohne meinen Blick von seinen Armen zu lassen, erzählte ich Oskar Bruchstücke aus den vergangenen Jahren. Eigentlich interessierte es mich viel brennender, was er so trieb, aber nachdem er mir derart viele Fragen gestellt hatte, fand ich es höflicher, zunächst zu antworten. Als ich bei Weickels Tod angelangt war, tischte ich ihm auch die Geschichte meiner angeblichen Dissertation auf, die in meiner Phantasie schon das Volumen von siebzig Seiten angenommen hatte.
    Oskar war beeindruckt. Er selbst hatte immer Künstler werden wollen, aber nie die Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule geschafft. Jetzt fiel es mir ein: Oskar hatte damals schon gezeichnet. Alles und jeden und mit Vorliebe Lehrer.
    »Modedesign wäre auch nicht schlecht gewesen.«
    »Wieso hast du es nicht getan?«
    »Ich wäre am Nähen gescheitert.« Oskar lachte und strich sich über seine Unterarme. Jammerschade, daß er wahrscheinlichwirklich schwul war. »Statt dessen habe ich mich mit Jobs in Boutiquen über Wasser gehalten. Da war der Schritt zum eigenen Laden naheliegend.«
    »Du hast einen eigenen Laden?« fragte ich idiotischerweise.
    Oskar nickte. »Designermode für Männer.«
    Deshalb also sein gestylter Aufzug.
    Ohne daß ich ihn danach gefragt hätte, erläuterte Oskar mir sogleich ausführlich das Konzept seines Ladens. Er verkaufte nur ausgefallene, sehr hochwertige Designer – Yohji Yamamoto, Comme des Garçons, Dries Van Noten, Ann Demeulemeester, Martin Margiela – keinen Giorgio Armani, keine Jil Sander, viel zu klassisch. Ich hörte Oskar interessiert zu, verstand aber nicht wirklich, wovon er redete. Zwar durchforstete ich hin und wieder Modemagazine, aber mit der Philosophie von Modedesignern hatte ich mich nie beschäftigt.
    Mein Interesse an Oskar und seinen Unterarmen war schon reichlich abgeflaut, als er plötzlich sagte, er habe nicht mehr allzuviel Zeit, er müsse seine Tochter vom Kindergarten abholen. »Wie meinst du das?« fragte ich, weil ich partout nicht begreifen wollte, daß ein Mann wie Oskar ein Kind in die Welt gesetzt hatte.
    Als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, erklärte er mir, seine Tochter heiße Nina und werde demnächst vier.
    Ich starrte Oskar an. Eine vierjährige Tochter. Alles war möglich im Zeitalter von Leihmüttern und Eiverpflanzungen. Ich gab irgend etwas Belangloses von mir, aber Oskar hatte mein verstörtes Verhalten wohl registriert.
    »Wir leben in Scheidung«, sagte er, indem er unaufhörlich über seinen Handrücken strich. »Es hat einfach nicht mit uns geklappt.«
    Was auch immer das heißen mochte. Und eigentlich wollte ich es auch gar nicht so genau wissen. Lieber wärmte ich alte Zeiten auf. Es gab mir ein Gefühl von Vertrautheit, über unsere Lehrer abzulästern, über Klassenkameraden und Schulsternchen. Oskar gestand mir, er sei damals in unsere Französischlehrerin, Madame Desnos, verliebt gewesen, und ich gestandihm, der Großteil der Mädchen habe ihn heiß und innig geliebt, auch wenn wir geglaubt hätten, er sei schwul.
    »Ach, wirklich?« Oskars Gesicht überzog sich mit einem Hauch von Röte.
    »Ja, wirklich!«
    »Du auch?«
    »Ja!«
    Oskar grinste in seine Tasse hinein. »Das habe ich gar nicht gewußt. Wirklich nicht.«
    Ich ersparte mir, ihn zu fragen, was er nicht gewußt habe. Meine heiße Liebe zu ihm oder die Sache mit dem Schwulsein. Und ich hoffte, er würde mir auch nicht gleich auf die Nase binden, was er damals von uns gehalten habe. Vermutlich käme dabei nicht gerade Schmeichelhaftes zutage.
    »Du hattest tatsächlich nur Augen für die alte Desnos?«
    »Die alte? Sie war damals vielleicht einunddreißig. Wenn’s hoch kommt …«
    Ich mußte lachen, »Jetzt sind wir schon fast die Alten.«
    Oskar nickte, und während er lächelte, bekamen seine Augen einen dunkleren Blauton.
    »Und du? Liiert?« Oskar reckte seine Nase ein Stück in die Höhe. »Ehemann? Freund? Liebhaber?«
    »Ich …«, sagte ich, brachte den Satz aber irgendwie nicht zusammen.
    »Einfache Frage – klare Antwort. Hm?« Oskar wollte es also

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