Lügen & Liebhaber
lauter Einsamkeit. Weil dein Ole ja nur am Wochenende aus München angereist kam.«
»Das ist x Jahre her. Ich war praktisch noch ein Kind.« Toni kiekste, wie sie es immer tat, wenn sie sich aufregte. »Außerdem wollte ich Henrik wirklich.«
Natürlich – wenn Toni etwas wirklich wollte, konnte sie in der Tat einen langen Atem haben.
»Und deine Liaison mit Bärbel?« Ich zog sie gern damit auf, daß sie in der sechsten oder siebenten Klasse mit einer Schulkameradin herumgefummelt hatte.
»Mann!«
Ich konnte mir bestens vorstellen, wie Toni am anderen Ende der Leitung rot wurde.
»Okay – was sagst du zu den Fotos?«
»Ist doch nett, daß sich einer dieser behaarten Frauen annimmt«, stellte Toni pragmatisch fest.
»Was soll ich denn jetzt machen?«
»Du hast ihm eindeutig signalisiert, was du von ihm hältst. Wo liegt das Problem?«
»Er weiß nicht, daß ich herumgeschnüffelt habe. Die Fotos lagen schließlich nicht offen herum.«
Toni zeigte mir ihre Mißbilligung, indem sie in den Hörer grunzte. Danach schwieg sie so lange, daß ich fürchtete, unser Gespräch könne unterbrochen worden sein.
»Toni?«
»Ja!« kam ihre ungeduldige Stimme. »Ich denke nach.« Wieder eine kurze Pause. Dann: »Er glaubt jetzt also, dir sind impotente Männer einfach zu heavy. Um es nett zu formulieren …«
»Was absolut nicht stimmt.«
»Dann sag es ihm.«
»Aber was ist mit den Fotos? Ich meine, ich kann doch nicht einfach so tun, als hätte ich sie nie gesehen!«
»Sylvie, mein Salat wird kalt.« Toni klang ungehalten.
»Oh. Tut mir leid.«
»Paß mal auf, Süße«, fuhr sie dann um einiges sanfter fort. »Du mußt doch wissen, was Skip dir bedeutet. Guten Sex kannst du dir höchstwahrscheinlich mit ihm abschminken, aber was ist mit Freundschaft? Liegt dir so viel an ihm, daß du einfach nur mit ihm befreundet sein möchtest? Würde dir etwas fehlen, wenn du auf ihn als Freund verzichten müßtest?«
»Nein«, sagte ich, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachdenken zu müssen.
»Dann ist doch alles klar. Du fährst jetzt brav zu deinem Karl, trinkst ein Glas Wein mit ihm, und alles ist wieder Friede-Freude-Eierkuchen.«
»Danke für deine salbungsvollen Worte«, sagte ich und entließ Toni an den Eßtisch.
Klar brauchte ich Skip nicht als guten Freund, aber irgendwie machte mich die Vorstellung, ihn niemals wiederzusehen, doch unzufrieden.
*
Das Kapitel Skip war erledigt, und damit fing das Kapitel Oskar erst richtig an. Kaum war ich in Karls Wohnung, wurde meine Sehnsucht nach Oskar so übermächtig, daß ich mich aus lauter Verzweiflung nochmals an Karls Grappaflasche vergriff, und als Karl gegen eins nach Hause kam, lag ich komatös auf dem Teppich und versuchte dem Schwindel in meinem Kopf irgendeinen Sinn zuzuschreiben.
»Was machst du da?« Karl kniete sich neben mich und bettete meinen Kopf auf seinen Oberschenkel.
»Hal-lo-Karl-schön-daß-du-da-bist!« Ich hatte ganz normal sprechen wollen, aber die Worte waren lallend herausgekommen.
»Du darfst dir den ollen Freddie Messerschmidt nicht so zu Herzen nehmen.« Zart strich er mir über den Kopf. »Na, komm … Ich bring dich ins Bett.«
Auch wenn ich betrunken war, wußte ich es doch noch zu schätzen, daß Karl die Situation so gründlich mißverstand. Es tat schon gut, bemitleidet zu werden.
Irgendwie schaffte Karl es, mich auf meine Beine zu hieven und in mein Zimmer zu schieben. Dort fiel ich wie ein Stein aufs Bett, und während Karl mich unter Aufbietung all seiner Kräfte auszog, wurde mir speiübel.
»Laß mich allein«, bat ich. Immerhin war ich noch klar genug, um so etwas wie Scham zu empfinden.
Mitten in der Nacht wachte ich auf und mußte kotzen. Ich fand mich gotterbärmlich und widerlich, wie ich so zum Klo wankte, und ich schwor mir, in absehbarer Zeit weder einen Tropfen Alkohol noch einen Mann, der nicht Karl hieß, anzurühren.
Am nächsten Nachmittag hatten sich meine Vorsätze allerdings schon wieder in lauter Luft aufgelöst.
Es war ein harter Arbeitstag gewesen, und Messerschmidt hatte mich nicht gerade geschont. Im Gegenteil. Er wußte nur zu gut, wie man arme Anfängerinnen schikanierte, und hatte es im Rahmen seiner Möglichkeiten redlich ausgenutzt.
Zwar wollte Karl am Abend mit mir essen gehen, aber dannkam ein offizielles Essen mit seinem (und natürlich auch meinem) Boß dazwischen, wobei es niemand für nötig hielt, mich hinzuzubitten.
Das war’s dann. Karls Telefon sah mich verlockend an, und
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