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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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Minuspunkte.
    Was blieb, waren ein paar vielleicht unbedeutende Äußerlichkeiten. Sein Geruch machte mich an. Ganz zu schweigen von seinen Unterarmen.
    Beim zweiten Martini – ich hatte mich ihm angeschlossen – fand ich es an der Zeit, ihn zu fragen, wo er denn zu übernachten gedachte.
    »Hotel Berlin.«
    Hotel! Sofort lief ein ganzer Film in meinem Kopf ab. Ich und Oskar im Hotel. Wir würden uns lieben, einmal, zweimal, aber was sollte ich Karl sagen, wenn ich erst mitten in der Nacht nach Hause kam?
    »Ich muß morgen früh raus«, meinte Oskar, als wolle er meiner Phantasie Einhalt gebieten.
    »Was denkst du – ich auch.« Obwohl ich mich bemühte, eiskalt zu klingen, wackelte meine Stimme.
    »Willst du mir nicht noch das Berliner Nachtleben zeigen?« Oskar machte einen fast enttäuschten Eindruck, und ich zwang mich zu sagen: »Mein Tag war sehr hart.«
    Wir bezahlten – kaum eine Stunde hatten wir zusammen verbracht. Ich sah es schon kommen, daß ich mich später bei Karl ausheulen würde, indem ich stellvertretend über Messerschmidt herzog.
    »Wo wohnst du eigentlich?« fragte Oskar beim Rausgehen.
    Eine Gruppe junger Männer schaute uns nach.
    »Bei einem Freund. Wir haben die ersten Semester zusammen studiert«, sagte ich meine vorbereitete Lüge auf.
    Oskar warf mir einen skeptischen Blick zu.
    »Wo ist das?«
    »Charlottenburg.« Ich wußte, daß dort auch Oskars Hotel lag.
    »Wir können uns zusammen ein Taxi nehmen.«
    »Ach, komm. Noch einen letzten Drink.« Er lächelte mich an, küßte mir dann zart die Hand.
    Der Mann hatte einen Vogel – klarer Fall. Ich fragte ihn, was denn mit seinem frühen Aufstehen sei.
    »Früh heißt früh, aber nicht übermäßig früh.«
    »Wir fahren jetzt in dein Hotel und gehen in die Bar«, bestimmte ich. »Dann bin ich auch schon fast bei … äh … bei meiner Bleibe.«
    Es kratzte mich nicht, wenn Oskar mich durchschaute.
    Im Taxi fragte er mich, was denn eigentlich aus Toni geworden sei.
    »Ankleiderin an der Oper«, murmelte ich. »Und sie kann keine Kinder bekommen.«
    »Ist das wichtig?«
    »Für sie ja. Existentiell wichtig.«
    »Wie grauenhaft.«
    Ich wußte nicht, ob Oskar ihren Kinderwunsch oder das Schicksal ihrer Unfruchtbarkeit meinte. Aber dann sprach er weiter, indem er ein Stück von mir abrückte: »Ich fand sie schon damals sehr spießig.«
    »Ist sie auch.«
    Oskar streifte wie beiläufig meine Schulter. »Bist du noch mit ihr befreundet?«
    »Ja, sie ist meine beste Freundin. Meine allerbeste …«
    »Und da redest du so schlecht über sie?«
    »Auch wenn ich jemanden spießig finde, kann ich ihn doch mögen.«
    Oskar erwiderte nichts. Erst als das Taxi vorm Hotel hielt, erwachte er aus seinem Dämmerzustand, zahlte und bedachte den Fahrer großzügig mit 20 Pfennig Trinkgeld.
    »Na, dann komm mal …«, sagte Oskar überraschend liebevoll. Er holte seinen Schlüssel von der Rezeption und schob mich in den Fahrstuhl – von wegen Bar! Karl würde eben damit klarkommen müssen.
    Oskars Zimmer war ziemlich klein, um nicht zu sagen beengend. Königsblauer Teppichboden, ein hummerroter Sessel, Fernseher, Minibar. Ich verwettete mein letztes Hemd darauf, daß Oskar zu geizig sein würde, mir einen Drink aus der Minibar zu spendieren, und tatsächlich: Kaum hatte er die Tür hinter uns zugemacht, zog er eine Flasche Brandenburger Kurfürstquelle aus seinem Stoffrucksack.
    »Hast du was dagegen, wenn ich mich schon mal hinlege?« fragte er, während er mir die Flasche reichte. »Mir ist verflucht kalt.«
    »Nein, natürlich nicht.«
    Ich setzte mich in den Sessel und sah Oskar dabei zu, wie er sich bis auf seine Baumwollshorts entkleidete. In etwa sah er aus, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Helle Haut, ein bißchen speckig um die Leibesmitte. Dann war er schon unter seiner Decke verschwunden, schlug sie am Ende geschickt um seine Füße. Sollte ich mich jetzt einfach zu ihm legen, oder würde er mich netterweise zu sich bitten? Aber nichts dergleichen geschah. Oskar tat, als sei es ganz normal, daß ich hier an seinem Bett saß und Billigwasser aus der Flasche trank.
    »Geht’s dir nicht gut?« fragte ich schließlich.
    »Doch. Schon. Das heißt, eigentlich habe ich ziemliches Sodbrennen und so einen Schwindel im Kopf. Weißt du, der kommt meistens ganz überraschend, in letzter Zeit immer öfter.«
    »Dann sollten wir jetzt den Notarzt rufen«, stellte ich lapidar fest und trank aus lauter Verzweiflung so hastig, daß ich kurz darauf rülpsen

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