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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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ihn zu linken, hat sie nicht mehr viel gesagt, nur geseufzt und plötzlich war da dieser Blutfleck.
    »Du glaubst ihm also doch mehr als mir. Aber gut, ich verzeihe dir, weil ich weiß, dass es so schwer zu glauben ist«, hat Mila schließlich gesagt. »Ich hatte nur gehofft, du, gerade du würdest die Leute besser durchschauen. Es ist so wie mit diesem prominenten Superlehrer an der Odenwaldschule, da hat auch nie jemand was gesagt, weil die Schüler wussten, niemand würde ihnen auch nur zuhören.« Sie hat mich lange angeschaut, ihre dunkelblauen Enzianaugen haben sich mit Tränen gefüllt, die eine nach der anderen über ihr zartes Gesicht gekullert sind, und jede dieser Tränen war für mich wie ein Stich ins Herz.
    Ich habe sie verraten. Verraten für einen eingebildeten Typen, der von allen geliebt werden will.
    »Mila, es tut mir soo leid. Aber das alles war echt eine Nummer zu hart für mich«, habe ich versucht zu erklären. »Allein diese Höhle … es war die pure Hölle.«
    »Ist schon gut, Ally. Ich habe zu viel von dir verlangt.« Dann hat sie mit dem Handrücken ihre Tränen weggewischt. »Ich war einfach nur egoistisch.«
    »Dann bist du mir nicht mehr böse?«
    »Kein bisschen«, hat sie gesagt, mir die Hand gereicht und mich umarmt. »Ich brauche jetzt ein bisschen Zeit für mich …«, hat sie mit rauer Stimme in mein Ohr geflüstert.
    Und dann ist sie gegangen, hat sich aber noch einmal umgedreht. »Ich brauche jetzt ein bisschen Zeit für mich …«, dabei hat sie versucht zu lächeln, aber es sah aus, als müsste sie gelähmte Mundwinkel hochziehen.
    Mila.
    Manchmal ist das Zusammensein mit Mila doch so, als ob ich einen Film anschauen würde. Ich sehe, was sie tut, aber ich weiß nicht, was in ihr vorgeht. Was hat so ein Lächeln zu bedeuten? Heißt es, sie verzeiht mir nicht wirklich oder bedeutet es nur: Es fällt mir schwer, aber ich verzeih dir. Oder sind sogar beide Interpretationen falsch?
    Wenn ich mir ihr zierliches Gesicht vor Augen rufe, mich daran erinnere, wie wir das erste Mal zusammen gelacht haben, dann möchte ich alles, was passiert ist, rückgängig machen, möchte nichts wissen von Landgraf, sondern einfach nur ihre Freundin sein. Möchte ihr helfen, sie beschützen, aber ohne jemanden reinzulegen. Oder ist es genau das, was Freundschaft ausmacht? Für einen anderen etwas tun, ohne es zu hinterfragen? Dann hätte ich versagt, jämmerlich versagt.
    Nein!, rufe ich mich selbst zur Ordnung. Hör auf mit diesem Unsinn! Du hast nicht versagt, du hast es versucht, bist sogar in diese Höhle gegangen.
    Und wieder lande ich bei der Frage, woher sie das wusste. Diese Höhle.
    Ich wollte so gern mit einer Freundin zusammen sein und über meinen Schatten springen – stattdessen bin ich inmitten irgendwelcher Schatten gelandet, Schatten, von denen ich nicht mal wusste, dass sie existieren.
    Mila.
    Zeit, endlich aufzuräumen. Ich hole Küchenkrepp, um den Staub wegzuputzen. Aber dann tu ich’s doch nicht. Es ist, als ob ich sie damit aus meinem Leben wischen würde.

20. Mila
    Drei Tage lang habe ich nachgedacht. Konnte nicht schlafen und habe mir immer wieder »Drei Tage wach« angehört. Sogar Mama, die nie irgendwas merkt, war auf einmal beunruhigt. Ich musste ihr meinen Arm zeigen, aber natürlich waren da keine frischen Narben. Ich bin klüger geworden, seit ich in der Isar gemerkt habe, dass es auch an den Fußsohlen geht. Da hat man länger was davon und kann behaupten, man wäre beim Baden in eine Scherbe getreten.
    Schließlich habe ich dann so getan, als würde ich schlafen, nur damit sie Papa nichts von meinem komischen Verhalten erzählt, wenn er zurück ist.
    Immer wieder habe ich mir die Fotos angeschaut und mich gefragt, was da wirklich abgeht zwischen Ally und Landgraf. Er wirkt auf den Bildern so liebevoll, als wäre er ihr Vater. Ich konnte an nichts anderes denken als daran, wie die beiden mich reingelegt haben.
    Schließlich habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin, statt in die Schule zu gehen, nach München gefahren und habe Ally beobachtet. Sie hat geschwänzt, genau wie ich, und hat an ihrer Werkbank rumgearbeitet wie eine Verrückte. Besonders traurig ist sie mir nicht vorgekommen. Offensichtlich hat ihr die Freundschaft mit mir eben doch nicht so viel bedeutet, wie ich gedacht habe. Ally liebt nur ihren Schmuck.
    Und gerade als ich vor Langeweile beinahe schon eingeschlafen wäre, ist Landgraf doch tatsächlich bei ihr aufgekreuzt. Zuerst wirkte sie nicht

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