Lügennetz: Thriller (German Edition)
von der Größe eines Gartenschlauchs über einen Münzsortierschacht zu einem Strohhalm. Schließlich schloss ich die Augen, um das Bild und den Rest meiner sich mit rasender Geschwindigkeit auflösenden Welt verschwinden zu lassen.
Unglaublich, dachte ich mit immer noch geschlossenen Augen.
Ich nahm an, ich würde mich nach einer Weile beruhigen, was aber nicht der Fall war. Der Stuhl unter mir schien plötzlich zu schwanken, als hätte jemand alle Schrauben entfernt. Ich hatte gedacht, ich wäre an dem Tag erwachsen geworden, an dem mein Vater gestorben war, doch weit gefehlt. Vor dem Bild meines Mannes sitzend, das bewies, dass er ein Lügner war, spürte ich, wie mein Herz erkaltete und mein Kopf die Führung übernahm.
Ich sah auf meinen Verlobungs- und Ehering hinab und schüttelte den Kopf. Ich musste die Sache klären, musste, verdammt noch mal, endlich aufwachen. Die Sache ließ sich nicht mehr leugnen. Bilder logen nicht.
Tatsache: Peter stammte aus Boston, nicht aus New York.
Tatsache: Peter war mit einer Frau verheiratet gewesen, die ermordet worden war.
Tatsache: Peter hatte mich vom ersten Tag an belogen.
Tatsache: Ich steckte ganz tief in der Scheiße.
Ich hatte das Gefühl, die Zeit wäre stehen geblieben, die Welt hätte hier unter den Neonlampen der öffentlichen Bibliothek abrupt aufgehört, sich zu drehen, als mein Blick die sechs Wörter überflog.
Schlimmer konnte es nicht kommen.
Gott, wie hatte ich mich so irren können!
» Polizist zum Tod seiner Frau verhört « , lautete die Überschrift.
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Boston, MA
POLIZIST ZUM TOD SEINER FRAU VERHÖRT
Die Bostoner Polizei hat den Ehemann der Frau verhört, die vergangenen Monat bei einem Raubüberfall in einem Lebensmittelgeschäft getötet wurde. Peter Fournier, der erst kurz zuvor als Streifenpolizist in den Dienst der Bostoner Polizei getreten war, verweigerte den Zeitungen eine Stellungnahme, als er gestern Abend mit seinem Anwalt das Präsidium verließ.
Die 20 Jahre alte Amanda Fournier, Sprechstundenhilfe in einer Kinderarztpraxis in der Crescent Street, wurde am Mittag des 21. September während eines Raubüberfalls durch mehrere Schüsse getötet. Sie betrat das neben ihrer Arbeitsstelle liegende Jake’s Deli kurz vor zwölf Uhr. Laut Zeugenaussagen betrat ein maskierter Mann hinter ihr den Laden und gab mehrere Schüsse ab, nachdem sie sich geweigert hatte, ihm ihre Tasche auszuhändigen. Weitere Verletzte gab es nicht.
Der Obduktionsbericht des Leichenbeschauers aus dem Suffolk County bestätigte, dass Mrs Fournier schwanger war.
Die Polizei machte keine Angaben, ob es sich beim Verhör um reine Routine gehandelt hatte oder nicht. Doch eine den Ermittlungen nahestehende Quelle beschrieb die Ereignisse rund um den Mord als » verdächtig « .
Nachbarn gaben an, das Paar habe einen vertrauten Umgang miteinander gepflegt. Sie ebenso wie seine Kollegen seien schockiert, dass Mr Fournier verhört wurde. Einer von ihnen beschrieb den 26-jährigen ehemaligen U.S. Army Ranger als äußerst fähig und kollegial.
Ich konnte nicht weiterlesen. Die Welt um mich herum wurde grau, als hätte jemand das Licht gedimmt. Blinzelnd, unfähig zu atmen, wartete ich auf den nächsten Herzschlag.
Unter dem Artikel befand sich ein weiteres Foto. Ein Schauder durchfuhr mich, als ich die Abbildung der jungen Frau mit der Bildunterschrift » Amanda Fournier « erblickte.
Ihr Haar war hoch auftoupiert, ihre Augen waren mit dunklem Lidschatten geschminkt. Zwei Dinge fielen mir gleichzeitig auf: Dieses Bild sah aus, als wäre es zu ihrem Highschool-Abschluss gemacht worden. Und sie sah mir verdammt ähnlich!
Ich dachte daran, was Peter gesagt hatte, als ich ihn nach den Doppelschichten gefragt hatte: Dann sah ich in deine Augen. Seit meiner Kommunion bin ich nicht mehr in der Kirche gewesen, aber es war ein Wink des Himmels. Als hätte Gott mir einen Engel geschickt.
Da hast du wohl recht! Ich konnte meinen Blick nicht von dem Bild der toten jungen Frau auf dem Bildschirm lösen. Später wusste ich nicht mehr, dass ich den Artikel ausgedruckt oder wie ich die Bibliothek verlassen hatte. Oder gar meine Vespa gestartet hatte. Woran ich mich als Erstes erinnerte, nachdem der Schock so weit nachgelassen hatte, dass ich wieder einigermaßen denken konnte, war das Hauptpostamt auf der Whitehead Street.
Ein tubengebräunter Typ, der am Straßenrand Hüte aus Palmwedeln flocht, blickte auf, als ich mit meiner Vespa staubaufwirbelnd zum Stehen kam. Im
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