Luegenprinzessin
eine dumme Kinderei!«
»Hey«, versuchte ich zu beschwichtigen, den Kopf allerdings immer noch gesenkt. »Immerhin ist es auf Englisch.«
Kaum war Bieninger aus dem Zelt draußen, ging die Streiterei wieder los. Mehrmals fuhr ich beide Parteien an. »Das bringt doch nichts!« Doch weder Diana noch Quen zeigte sich davon beeindruckt. Insgeheim war mein erster Verdacht auch auf die Quaks gefallen. Amelie und Quen hatten mich gestern ja sogar noch als Schlampe bezeichnet. Ha, mich! Wenn die wüssten. Aber warum sollten sie Vero und Diana ebenfalls beschmieren? Als Ablenkung? Und was für einen Zweck hätte das Ganze überhaupt? Die konnten doch nicht ernsthaft glauben, dass ich wegen so einer Aktion Willi künftig aus dem Weg gehen würde.
»Das ist sicher Permanentmarker«, meinte Joe.
Ich nickte düster. »Den wir alle brav von zu Hause mitgenommen haben. In Schwarz und in Rot, wie Bieninger es uns aufgetragen hat. Und wie kriegt man so was wieder runter?«
Kinga zog die Nase kraus. »Bei dir scheint es eh nicht so zu halten.« Sie begann, an meiner Stirn zu rubbeln. »Komisch, jetzt tut sich gar nichts.«
Da fiel mir auf einmal wieder ein, dass ich heute Nacht aufgewacht war, weil ich so ein seltsames Gefühl hatte. Nämlich, dass jemand mich berührte. Dass ich meine juckende Stirn gekratzt und anschließend diesen unangenehmen Geruch in der Nase gehabt hatte. Das erzählte ich den anderen, und während ich sprach, ließ ich die Quaks – insbesondere Quen und Amelie – nicht aus den Augen. Doch deren Gesichter verrieten absolut gar nichts. »Und inwiefern hilft das jetzt weiter?«, fragten sie bloß verständnislos.
»Mit Öl kriegt man es weg«, rief Vero und schwenkte ihr Smartphone. »Hab grad in einem Forum gelesen, dass die meisten Permamentmarker mit Öl weggehen.«
»Mir ist scheißegal, wie ich das Zeug wegkriege. Ich will wissen, wer das war«, knurrte Diana.
»Ist die eigentlich immer so drauf?«, fragte Joe mich leise.
»Sie kann auch ein lieber Kerl sein«, verteidigte ich sie. Wobei ich mich insgeheim fragte, wann Diana zum letzten Mal ein »lieber Kerl« gewesen war. Das war irgendwie ziemlich lange her.
Niemand von uns hatte Öl dabei, aber Kinga erklärte sich bereit, ins Haus hinüberzugehen und Norbert danach zu fragen.
Ich fand das sehr nett von Kinga, auch wenn ich den heimlichen Verdacht hatte, dass sie hoffte, Willi drüben anzutreffen. Aber ich war sicher die Letzte, die einer Verliebten irgendetwas vorwerfen konnte.
»Wer sagt uns denn, dass es jemand aus unserem Zelt gewesen sein muss«, ließ Joe sich plötzlich vernehmen.
Wir alle starrten sie an.
»Wer soll es denn sonst gewesen sein?«, fragte Vero.
Joe zuckte die Schultern. »Ich gebe nur zu bedenken, dass wir nicht die Einzigen weit und breit sind und dass unser Zelt die ganze Nacht offen stand.«
Dianas Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Wisst ihr, was mich grade wundert?«, fragte sie laut und fügte, ohne eine Antwort abzuwarten, hinzu: »Wenn es tatsächlich Quen und ihre Gefolgschaft waren, warum wurde dann Joe verschont?«
Als Kinga mit dem Öl zurückkam, fielen Diana und Quen gerade über die neue Tatverdächtige her. Ich beobachtete Joe gespannt. Nach außen wirkte sie vollkommen gleichgültig, fast kalt, aber ich sah, dass ihre Finger leicht zitterten, und hatte den Eindruck, dass die Anschuldigungen sie härter trafen, als sie vorgab.
Das Öl wirkte tatsächlich Wunder. Nach zwei Minuten war unseren Gesichtern bis auf ein paar gerötete Hautstellen nichts mehr anzumerken.
So seltsam das auch erscheinen mag, aber ich war fast enttäuscht darüber. Die ganze Aufregung war mir äußerst willkommen gewesen, weil es die Aufgabe, die mir bevorstand, in den Hintergrund gerückt hatte. Jetzt, da die Buchstaben weggewischt waren, musste ich mich wieder mit der üblen Situation auseinandersetzen, in die meine Angeberei mich gebracht hatte.
Das Frühstück wurde im Haus serviert. Norberts Frau hatte Brot, Wurst, Müsli, hart gekochte Eier, Marmelade und Joghurt auf einem großen Tisch als Buffet angerichtet und seine Mutter, die uns Kakao und Kaffee einschenkte, erkundigte sich im breitesten Tirolerisch nach unserem Befinden. »Isch die Nocht woarm gwen? Na, hoan i ma eh denkcht. Isch a feins Langis, net woahr?«
»Ähm, ja«, antwortete ich. »Jaja, danke.«
Sie lachte laut. Ich sagte: »Also dann… bis dann«, und gratulierte mir im Stillen dazu, dass ich meinen Klassenkollegen gegenüber nie behauptet
Weitere Kostenlose Bücher