Luegenprinzessin
was Felix mir verklickern wollte.
Ich hatte vermutlich wirklich Glück mit meinen Eltern, wenn man sich im Vergleich dazu nämlich seine ansah, die ständig viel zu viel von ihm erwarteten und bei schlechten Noten immer gleich ausflippten.
Sollte ich irgendetwas diesbezüglich sagen? Mist, wieso wusste ich auf einmal nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte? Das war doch sonst nicht so. Wir kannten uns schon eine halbe Ewigkeit und hatten uns immer alles erzählt. Nach einem minutenlangen inneren Kampf mit mir selbst, während dem ich wahllos Wasser in den Becher schöpfte und es dann wieder ausschüttete, entschied ich mich für einen Themenwechsel. »Du, jetzt mal ganz ehrlich, Felix, du bist ja viel weniger neurotisch als wir anderen – glaubst du tatsächlich, dass es jemand auf uns abgesehen hat?«
Er richtete sich auf, überlegte kurz. »Na, dass euch jemand Bitch auf die Stirn gemalt hat, lässt sich nicht leugnen. Riecht verdächtig nach Zickenkrieg, wenn du mich fragst. Gut, das mit den Rucksäcken muss keine Absicht gewesen sein, auch wenn ich keine Ahnung hab, wer aus unserer Klasse Dicksaft mithat und wie der zufällig in unsere Rucksäcke gekommen sein soll. Das mit dem Zelt könnte auch noch als Unfall durchgehen, vor allem nachdem wir keine gekappten Seile oder Ähnliches entdeckt haben, aber dass unser Material weg ist, finde ich schon echt komisch. Und es spricht dafür, dass es jemand auf uns fünf abgesehen hat.«
»Norbert hat gemeint, dass es schon möglich wäre, die Knoten von den Heringen zu lösen und dann darauf zu warten, dass beim ersten Windstoß das ganze Zelt in sich zusammenfällt.« Ich massierte meine Schläfen. Die Sonne, die auf uns niederbrannte, hatte die Kopfschmerzen zurückgebracht. »Unvorstellbar, dass jemand so was macht. Jemand, den wir kennen.« Mir fiel etwas ein. »Wart ihr eigentlich in Gruppen Mittagessen jagen?«
»Nö, wir sollten jeder einzeln losgehen. Hin und wieder hab ich jemanden getroffen, deinen David zum Beispiel und die drei Quaks, die natürlich nicht alleine unterwegs waren.«
Ich verkniff mir zu sagen, dass er nicht mein David war. Leider nicht.
»Aha!«, rief ich stattdessen. »Vielleicht ist das ja eine Spur. Denn sollten die Quaks tatsächlich dahinterstecken, dann sicher nicht nur eine von ihnen. Wir sollten Mr Bean sagen, dass die drei zusammen waren, obwohl sie alleine hätten sein sollen.«
»Damit erreichen wir genau gar nichts. Mr Bean hat uns jetzt auf dem Kieker, und das wird sich in der nächsten Zeit auch nicht ändern. Egal, was passiert, er wird die Schuld dafür immer bei uns suchen. Ich bin der Meinung, wir sollten so wenig Aufmerksamkeit erregen wie möglich. Außerdem ist ja überhaupt nicht gesagt, dass noch etwas passiert.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Jetzt schlägt’s aber dreizehn und gleichzeitig schlägt’s dem Fass den Boden aus«, ahmte ich Mr Beans Tonfall nach. »Der Klassenclown und Rebell ist dafür, sich unauffällig zu verhalten?« Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und sah ihm tief in die Augen. »Hallo? Felix? Irgendjemand hat deinen Körper übernommen. Bist du noch da drin?«
Er lachte nicht. Irgendetwas an seinem Gesicht, irgendetwas an dem ungewohnt ernsten Ausdruck seiner Augen hinderte mich daran, mich abzuwenden. Ich blieb auf den Zehenspitzen und ertappte mich vollkommen verdattert dabei, wie ich plötzlich auf seinen Mund starrte. Auch sein Blick senkte sich von meinen Augen zu meinen Lippen. Synchron begannen wir, uns zu nähern, so langsam und vorsichtig, dass ich Zeit hatte, mich richtig nach der Berührung zu sehnen –
»Was wird denn das jetzt?« Veros lauter Ausruf brachte uns brutal in die Gegenwart zurück. Wie zuckten zusammen und fuhren auseinander.
»Gott, Vero!«, stieß ich aus. »Ich hab einen halben Herzinfarkt gekriegt.«
»Und ich einen ganzen«, murmelte Felix, drehte sich um und watete ans Ufer.
»Was sollte das denn?«, probierte Vero eine neue Version der gleichen Frage.
»Nichts«, behauptete ich. »Wir haben nur Spaß gemacht.«
»Aha.« Es klang lauernd.
Überrascht sah ich sie an. »Stört dich irgendwas?«
»Mich stört auf jeden Fall, wenn du mich anlügst«, erwiderte sie. »Warum kannst du nicht zugeben, dass ich euch beim Küssen erwischt hab?«
Ach verdammt. »Weil – weil wir uns ja gar nicht geküsst haben. Und weil ich außerdem gar nichts von ihm will. Außer der Freundschaft natürlich.«
»Und genau die steht auf dem
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