Luegenprinzessin
spüren wollte, für den ich sogar gekämpft hatte. Nur kein Selbstmitleid, denn das hätte mich schwach gemacht.
Der kollektive Schreck verschaffte mir sogar eine gewisse Genugtuung.
»Wann ist denn das passiert?«
Mit festerer Stimme erklärte ich: »Kann nur in der Nacht passiert sein. Als ich geschlafen habe. Hat eine von euch mir vielleicht etwas zu sagen?« Der Zorn half auch. Ich ballte die Fäuste.
»Oh Mia. Mia.« Vero hatte sich wieder aufs Weinen verlegt.
»Wieso haben wir das denn vorhin nicht gesehen?« Diana klang, als würde sie an ihrem Verstand zweifeln.
Kinga, die noch immer ganz aus dem Häuschen war, rief: »Na, weil es so finster war!«
Ich versuchte, den Zorn in mir am Leben zu erhalten. »Wer auch immer das war, wird mir das büßen… Meine Haare –« Tränen traten mir in die Augen, ich brach ab.
»Scheiße, das ist alles so scheiße!«, schimpfte Diana. Dann kam sie zu mir und zerrte mich in eine Ecke. Mein Blick fiel auf Joe. Sie musterte Diana intensiv, wobei der Ausdruck in ihrem Gesicht nicht leicht zu deuten war. Auf einmal kam ich mir total blöd vor. Dass ich mich wie eine blöde Tussi wegen meiner Haare aufgeführt hatte und dass ich jetzt – wieder wie eine blöde Tussi – mit Diana in einer Ecke stand und tuschelte. Also, Diana tuschelte und ich verstand kein Wort.
»Noch mal bitte«, sagte ich ungeduldig und achtete darauf, in normaler Zimmerlautstärke zu sprechen, um klarzumachen, dass ich von Geheimniskrämerei nichts hielt.
Diana seufzte und fing wieder zu zischeln an. So schnell und leise, dass ich auch diesmal Mühe hatte, den Sinn hinter ihren Worten zu verstehen.
Irgendwann kapierte ich es endlich. Es lief darauf hinaus, dass Diana mich vor Joe warnen wollte. Ihr Flüstern machte mich wahnsinnig, ich war nahe daran auszuflippen. Ich wusste selbst nicht so genau, warum mir das plötzlich so an die Nieren ging. Joe und ich waren ja nicht gerade beste Freundinnen. Trotzdem fand ich es unfair, die Schuld gleich mal auf den Neuzuwachs zu schieben.
»Wir müssen so schnell wie möglich mit Vero sprechen. Allein. Sie ist die Einzige, die das aufklären kann. Ach was, ich frag sie jetzt gleich.«
Scheiße! Diana ging auf Vero und Joe zu und stellte sich breitbeinig vor die beiden hin, die Hände in die Hüften gestemmt. »Zwischen Pfefferspray und Bodenkuss, hast du dich da weiterbewegt, Vero?«
»Bodenkuss?«
Diana fuchtelte ungeduldig mit den Armen durch die Luft. »Du hast die Ladung ins Gesicht gekriegt und bist zu Boden gegangen, richtig?«
»Richtig.« Vero klang unsicher.
»Bist du gleich zu Boden gegangen oder erst noch ein Stück gelaufen, gewankt, gehüpft, was auch immer?« Für ihren spöttischen Ton hätte ich Diana eine scheuern können und Vero hatte offensichtlich keine Ahnung, was Diana mit ihren Fragen bezweckte. Es wirkte, als würde sie gleich wieder zu weinen beginnen.
»Na?«
»Krieg dich wieder ein, Diana«, kam ich Vero zu Hilfe. »Vielleicht solltest du deine Frage ja so formulieren, dass sie auch verständlich ist.«
Jetzt sah Diana aus, als würde sie mir gleich eine scheuern.
»Ich hab schon verstanden«, schniefte Vero. »Und ich bin nicht weitergehüpft, wie du es nennst. Dazu war ich nämlich gar nicht mehr fähig.«
Diana nickte triumphierend und wandte sich mir zu. »Was zu beweisen war.«
Ich runzelte die Stirn.
Die Quaks fragten, was Diana denn damit bewiesen hatte.
»Na ja, Mia und ich, wir haben da so eine Theorie –«
»Moment mal, ich hab überhaupt keine Theorie!«
Diana kümmerte sich gar nicht um meinen Einspruch. Lauernd sagte sie: »Vero hat uns soeben gesagt, dass sie genau hier«, sie zeigte auf die Stelle, an der wir Vero gefunden hatte, »attackiert worden war. Hier, direkt neben Joes Schlafsack.«
»Was meinst du damit?«, fragte Vero.
Joe erhob sich und warf die leere Wasserflasche in ihrer Hand zu Boden. »Sie meint, dass damit erwiesen ist, dass ich dich angesprayt habe. Was ja auch völlig logisch ist, denn wenn ich schon jemanden verletzen will, dann schön bequem von meinem Schlafsack aus.« Auf ihrem Weg zum Zeltausgang machte sie kurz vor Diana halt. »Du kannst mich mal!«
Weg war sie. Ich wäre ihr so gern nachgerannt und hätte ihr gesagt, dass auch ich es für kompletten Unsinn hielt, was Diana hier verzapfte, doch so klar und öffentlich gegen Diana Stellung zu beziehen, wäre einem Bruch unserer Freundschaft gleichgekommen. Plötzlich fühlte ich mich nur noch erschöpft.
»Du irrst
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