Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Luegenprinzessin

Luegenprinzessin

Titel: Luegenprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Miedler
Vom Netzwerk:
spontanen Impuls bat ich sie auf ein Vieraugengespräch. Sie zuckte mit den Schultern und folgte mir mit teilnahmslosem Blick hinter die Hausecke.
    »Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich nicht glaube, dass du irgendetwas von diesen Dingen getan hast. Das hab ich Diana auch gesagt.«
    Sie nickte nur.
    Ich wusste nicht, warum, aber ich wollte das Gespräch noch nicht beenden. »Wie geht’s dir mit diesen ganzen Vorfällen?«, fragte ich, es klang jedoch gekünstelt.
    »Schlecht.« Sie sah mich nicht an. »Sie erinnern mich zunehmend an meine alte Schule und den Grund, warum ich gewechselt habe.«
    »Ich dachte, der Wechsel war, weil dein Vater einen neuen Job bekommen hat.
    »Der Wohnortswechsel und der Schulwechsel sind aus demselben Grund geschehen.« Sie ließ sich ins Gras fallen, ich nahm das als Aufforderung und setzte mich neben sie. »In einem Ort mit zweitausend Einwohnern kennt jeder jeden, zumindest vom Sehen. Die Schulauswahl ist auch nicht besonders groß. Für das einzige Gymnasium, das halbwegs zu erreichen war, musste man zwar den Bus und den Zug nehmen, aber alle aus dem Ort, die ins Gymnasium durften, gingen in dieses. Dort hat es angefangen. Erst wurde ich beschuldigt, von meiner Sitznachbarin Geld geklaut zu haben, dann wurde auch noch ihr Armband in meinem Rucksack entdeckt. Und so weiter. Und die drei Mädchen aus meinem Ort, die mit mir in die Klasse gingen, haben fleißig darauf geschaut, dass bei uns zu Hause auch jeder davon erfuhr. Ich konnte mich verteidigen, wie ich wollte, die Leute haben der Mehrheit geglaubt. Sogar mein Vater, der dort seit zwanzig Jahren als Tierarzt praktiziert hat, wurde plötzlich komisch angeschaut. Ich hab ihm gesagt, dass es aussieht, als würden wir flüchten, wenn wir jetzt wegziehen, aber ihm war wichtiger, dass mein Bruder und ich normal aufwachsen können.«
    Sie hatte ohne jedes Selbstmitleid gesprochen und ich hatte registriert, dass sie in ihrem Bericht ihre Unschuld nicht wirklich betont hatte. Für einen kurzen Augenblick überlegte ich sogar, ob sie nicht doch schuldig war und mir das sogar zu verstehen geben wollte. Vorsichtig fragte ich: »Hat man die Schuldigen jemals entlarvt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie mochten mich einfach nicht.«
    »Und haben dir darum absichtlich diese Diebstähle angehängt.«
    »Ja und noch viel mehr.«
    »Was denn? Etwa auch so schlimme Sachen wie eine Pfefferspray-Attacke?«
    Sie lachte unfroh. »Nein, das ist wenigstens mal was Neues. Aber seit dieser Geschichte trage ich in der Nacht immer Pfefferspray mit mir herum. Weil sie mich ständig verfolgt haben. Ich wurde zwar nie wirklich körperlich angegriffen, aber sie wollten mir Angst machen – was ihnen gelungen ist.« Sie sah mich an, bevor sie fortfuhr. »Und ganz nebenbei haben sie mich als das größte Dorfflittchen dargestellt.« Sie machte eine kleine Pause. «Was ziemlich paradox ist, wenn man bedenkt, dass gerade ich jetzt anderen Bitch auf die Stirn geschmiert haben soll.«
    Wir schwiegen eine Weile. Ich ertappte mich dabei, wie ich ihre langen Haare anstarrte, und spürte, wie mit einem Schlag der ganze Kummer über meinen Haarverlust zurückkam. Wenigstens meine Haare hatten mit ihren mithalten können. Ich räusperte mich ausgiebig. Plötzlich sagte Joe: »Weißt du, es kommt mir tatsächlich so vor, als würde all das nur passieren, damit man mir die Schuld in die Schuhe schieben kann.«
    »Das wäre aber schon Hardcore«, bemerkte ich. »Vero so was anzutun, meine ich. Wenn man dir persönlich schaden will, würde es doch auch einfacher gehen. Oder?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist es ja tatsächlich nur Einbildung. Glaub mir, das wäre mir jedenfalls viel lieber.«
    Kurz überlegte ich noch, ob ich sie auf David ansprechen sollte. Fragen, ob da was lief zwischen den beiden. Aber dann machte ich einen Rückzieher. Es hätte sonst so gewirkt, als sei ich eifersüchtig, und womöglich hätte sie mich noch für diejenige gehalten, die die Hetzjagd auf sie angezettelt hat.
    Beim Frühstück entschuldigte ich mich bei Chris.
    »Schon gut«, brummte er.
    »Und ich hab auch nichts gegen deine ganzen Statistiken und Wissenschaften und Weisheiten.«
    Er nickte. »Heißt das, ich muss jetzt nicht zu einem hirnlosen Schönling werden, um dir Gesellschaft leisten zu dürfen.«
    Ich nahm an, dass er auf David anspielte, doch Felix rettete die Situation, indem er sagte: »Keine Sorge, Mann. Zu einem Schönling wirst du sicher nie

Weitere Kostenlose Bücher