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Luegensommer

Titel: Luegensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Hirn darüber zermartert, was Birte Varnhorn wissen kann und was nicht.
    »Ich habe gehört, dass sie sich oft ziemlich heftig gestritten haben. Teilweise sogar in der Öffentlichkeit.«
    Marit ist verständig genug, um zu begreifen, dass die Kommissarin ihr einen Freundschaftsdienst erweist, indem sie die Karten offen auf den Tisch legt. Das sieht ihr gar nicht ähnlich.
    »Das war doch harmlos«, lügt Marit.
    »Auch die Sache neulich am Strand? Zoé soll ihn geschlagen haben.«
    »Das hab ich nicht mitbekommen.« Marit ist verblüfft, wie leicht es ihr fällt, die Unwahrheit zu sagen, um Ansgar zu beschützen, ganz gegen ihre Erziehung. Normalerweise hat sie schon bei kleinen Schwindeleien ein schlechtes Gewissen. Diesmal nicht, im Gegenteil. Sie fühlt sich sogar im Recht. Die Frage, woher Birte Varnhorn all diese Informationen hat, macht sie wütend auf die Zeugen des Vorfalls am Strand: erst wegsehen und sich hinterher das Maul zerreißen.
    Hat die Kommissarin bislang entspannt auf einem Küchenstuhl gesessen, veranstaltet sie jetzt mit ihren Fingerspitzen einen enervierenden Trommelwirbel auf der Tischplatte. »Hören Sie, wenn Sie sich entscheiden, mit mir zu sprechen, müssen Sie ehrlich sein. Sonst können wir es sein lassen. Ich versuche, mir ein Bild von Ihrem Bruder und seiner Beziehung zu Zoé zu machen. Dafür brauche ich ehrliche Antworten.«
    »Die Beziehung war in Ordnung«, beharrt Marit, obgleich sie längst vom Gegenteil überzeugt ist.
    »Hat er mit Ihnen darüber geredet?«
    »Nein. Das war nicht nötig. Ich wusste es auch so. Sicherlich hatten sie hin und wieder Streit, aber das spielte keine Rolle. Sie waren glücklich miteinander.« Sie sieht ihren Bruder vor sich: schlafend, das Foto von Zoé in der Hand. Das beweist nichts. Dennoch kommt es ihr bedeutsam vor.
    Birte Varnhorn sieht aus, als hätte sie ihre Zweifel. Marit würde sie gern überzeugen, doch ihr Bauchgefühl sagt ihr, dass sie sich mehr als genug ins Zeug gelegt hat. Die nächsten Fragen beantwortet sie sachlich. Ja, am Tag vor Zoés Verschwinden habe die Familie gemeinsam gegrillt. Nein, ihr Bruder sei nicht die ganze Zeit anwesend gewesen. Nein, sie könne sich nicht vorstellen, dass Ansgar etwas mit ihrem Tod zu tun hat. Definitiv nicht.
    Als die Kommissarin endlich Ruhe gibt, ist Marits T-Shirt am Rücken schweißnass und sie findet, sie hätte alles besser machen können. Besser machen müssen, erst recht nach ihrem wenig hilfreichen Gastspiel im Fernsehen. Das Dumme ist nur, dass sie keine Ahnung hat, wie. Es gibt so vieles, was sie nicht weiß.
    Bald darauf verlässt die Polizei das Haus, im Gepäck Kartons mit diversen Klamotten, Schulsachen, Computerkram. Auch Ansgars Handy und sogar sein Fahrrad werden beschlagnahmt. Marits Vater muss wegen der Sachen etwas unterschreiben und erhält einen Durchschlag. Ansgar nehmen sie ebenfalls mit. Zum Verhör, wie es heißt, aber auf Marit wirkt es wie eine Verhaftung. Als hätte er bei ihnen von vornherein keine Chance, vollkommen egal, was er aussagt. Und ihr Vater verschränkt die Arme vor der Brust, weicht jedem Blick aus und unternimmt nichts.
    Der Tag wird schlimm. Zum einen, weil die Medienleute ihnen auf die Pelle rücken, sogar auf Bäume klettern, um in den Garten hineinzufilmen. Zum anderen, weil er für Marit und ihre Mutter in erster Linie aus Warten besteht, während ihr Vater tatsächlich in die Fabrik gefahren ist.
    Nach Stunden kommt Ansgar nach Hause, er ist in Begleitung eines schlaksigen Anwalts und sieht verheult aus.
    Spätabends huscht Marit in sein Zimmer und das Erste, was sie denkt, ist ›schade um die Ordnung‹, denn die Polizisten haben den Urzustand wiederhergestellt, sein Zeug überall verstreut. Ihr Bruder liegt im Schummerlicht der Nachttischlampe auf dem Bett und hört iPod, die Augen geschlossen. Aber er ist wach, es ist zu sehen, wie sein ganzer Körper unter Anspannung steht. Das Zucken der Fingerspitzen: sicher nicht im Takt der Musik, eher krampfartig.
    Marit tippt gegen seine Schulter.
    Es dauert, bis er reagiert. »Was?«
    »Ich muss mit dir reden. Die Polizei glaubt, du hättest Zoé umgebracht.«
    »Ach nee. Darauf wäre ich ja nie gekommen. Ich war’s aber nicht. Die Drecksäcke können mich mal. Die sollen endlich ihre Arbeit machen.«
    »Vielleicht könntest du ihnen ja dabei helfen.«
    Keine Antwort.
    »Könntest du doch, oder?«
    »Ganz sicher nicht.« Mehr ist ihm nicht zu entlocken. Wie er sie ansieht. Als wolle er sie am

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