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Luegensommer

Titel: Luegensommer
Autoren: Alexandra Kui
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warmen Tag im Mai darauf gestoßen. Zufall oder Fügung? Ausgeschlossen, dass sie dorthin fahren und nicht miteinander schlafen würden. Er war ihr regelrecht verfallen, kam einfach nicht von ihr los, davon war Zoé überzeugt. Ein gutes Gefühl, das sie in Sicherheit wiegte. Leider nur kurz.
    Am Bach tanzten Schwärme von Mücken, und es war sogar im Baumschatten noch heiß, die Luft klebrig. Sonnenstrahlen fielen schräg durch das Blätterdach. Er sah ihr in die Augen, als wolle er sie küssen, aber dann machte er plötzlich dicht. Das kannte sie schon von ihm. Er weigerte sich, ins Wasser zu gehen, sagte, er wolle lieber reden. Ihr Optimismus verflog so schnell, wie er gekommen war.
    »Reden macht bloß durstig.« Zoé zog sich das altbackene, marineblaue Leinenkleid über den Kopf, das sie nur zur Arbeit trug, weil es den Alten und der Chefin gefiel und zudem die Farbe ihrer Augen zur Geltung brachte. Anschließend entledigte sie sich ihrer Unterwäsche und zuletzt der Sandalen und ließ ihn stehen, wild entschlossen, ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Reden, reden, reden – wozu? Sie waren längst so zerstritten, dass es keinen Zweck mehr hatte.
    Obgleich eine starke Unterströmung an ihr zerrte, roch das Wasser leicht faulig wie ein stehender Tümpel, was sie im Mai nicht bemerkt hatte. Wasserflöhe huschten vorbei. In Ufernähe stiegen Bläschen vom Grund auf. In der Ferne das Brummen eines Traktors. Von wegen verwunschen. Wo waren die Libellen hin, die Wiesenblumen? Zoé hatte alles ganz anders im Gedächtnis. Stur wie sie war, hielt sie an ihrer Vorstellung fest und versuchte, die Wirklichkeit umzudeuten. Sie schwamm ein paar Züge mit aufeinandergepressten Lippen, um ja nichts zu schlucken, ließ sich treiben und planschte wie ein Kind, eifrig bemüht, den Anschein zu erwecken, sie genieße jede Sekunde, während er auf einem Stein kauerte und nicht mal zu ihr rübersah.
    Es war sinnlos. Schließlich tapste sie an Land, baute sich triefnass vor ihm auf und wartete darauf, dass ihr nackter Körper seine Wirkung tat. Sie wusste, wie schön sie war. Schlank, aber mit weichen Rundungen, die samtweiche Haut makellos, ein Erbe ihrer Mutter. Längst verfluchte sie den Tag, an dem sie in einem Anfall von Experimentierfreude und Trotz ihr hüftlanges, schwarzbraunes Haar hatte abschneiden lassen, denn es hatte bei ihrer ersten Begegnung ungeheuren Eindruck auf ihn gemacht. Sie brauchte das Gefühl, für ihre Schönheit bewundert zu werden. Jedes Mal genoss sie das Lächeln in seinem Gesicht, wenn er sie betrachtete, diese Mischung aus Staunen und Begierde. Sie hatte es schon oft gesehen, bei ihm genauso wie bei anderen Jungs, bei Männern, doch seins gefiel ihr am allerbesten.
    Sie wartete.
    Nichts. Keine Regung seinerseits. Als hätte er irgendetwas eingenommen, das einen Schalter umgelegt hatte.
    »Kleine Erfrischung gefällig?« Sie schüttelte ihr nasses, zu kurzes Haar, dass die Tropfen spritzten.
    »Zieh dich an«, sagte er und stand auf. »Zoé, ich meine es ernst, wir müssen reden.«
    Das war der Zeitpunkt, an dem sie abhauen wollte und das Gegenteil tat: Sie küsste ihn. Er sie nicht. Mit hängenden Armen stand er da und ließ es reglos über sich ergehen, während der Blick in seinen Augen eine naheliegende Frage stellte: Warum tust du dir das an?
    Ja, warum? Als ob sie nicht längst wüsste, dass sich Liebe nicht erzwingen lässt. Die Antwort lautete: Sie konnte nicht anders.
    Natürlich behielt sie recht, er wollte Schluss machen, was an sich nichts Neues war, sie hatten schon oft Schluss gemacht, doch normalerweise ging die Initiative von ihr aus. Waren ihre Trennungsversuche wenig konsequent gewesen, ließ er keinen Zweifel an der Endgültigkeit seines Entschlusses aufkommen. Schluss. Aus. Vorbei. Ihr Herz flatterte wie ein Vogel in einem Kescher. Er wollte wirklich nicht mehr. Weil es so nicht weitergehen könne. Welch eine hohle Begründung.
    Sie verlor die Nerven, wurde laut: »Wenn hier jemand Schluss macht, dann ich.«
    »Dann tue es doch«, flehte er.
    »Darauf kannst du lange warten.«
    Was sie nicht begriff: Weshalb musste er mit ihr ausgerechnet hierher fahren, um ihr den Laufpass zu geben? Warum musste er alles kaputt machen, was ihnen beiden so viel bedeutet hatte? Hatte es doch – oder? Womöglich hätten sie sogar glücklich werden können.
    Mit ihren siebzehn Jahren hatte Zoé bereits eine genaue Vorstellung davon, wie viel Mut dazu gehörte, sich auf das Glück
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