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Luegensommer

Titel: Luegensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Ansgars Zimmer aufgeräumt und gut gelüftet, der Boden gesaugt. Ihr Bruder und ihre Mutter sitzen nebeneinander auf dem Bett, sie hat einen Arm um ihn gelegt. Beide wirken nicht schockiert, eher traurig, als die Polizisten einfallen und ohne Umschweife beginnen, Schubladen und Schränke zu öffnen, noch bevor Birte Varnhorn ihren Spruch aufgesagt hat. Einer der beiden Unformierten greift sich den Computer, entfernt die Kabel und schleppt ihn aus dem Zimmer, auf der Treppe hört Marit ihn über seine Rückenschmerzen fluchen.
    Die Kommissarin fordert sie auf, im Wohnzimmer zu warten. Wieder richtet sich Marits Aufmerksamkeit erwartungsvoll auf ihren Vater, wieder wird sie enttäuscht. Er spielt das Spiel mit. Immerhin telefoniert er mit einem Anwalt. Anschließend kauern sie alle auf den eigenen Polstern wie ungebetene Gäste, über ihnen das Rumpeln der Eindringlinge im Obergeschoss.
    Nach einer Ewigkeit – Marit fragt sich bereits, was die Beamten in einem so kleinen Raum derartig lange treiben – lässt sich die Hauptkommissarin blicken und kündigt an, sie getrennt voneinander befragen zu wollen. Ausgerechnet Marit soll den Anfang machen. Ihre Mutter lächelt ihr zu, nickt aufmunternd und weist sie leise darauf hin, dass sie als Angehörige eines Verdächtigen überhaupt nichts aussagen müsse, schon gar nichts Belastendes. Aber was genau ist belastend?
    Über ihr Zeugnisverweigerungsrecht informiert sie gleich darauf auch Birte Varnhorn. Sie halten sich in der Küche auf, da Marit niemanden in ihrem Zimmer haben will. Unschlüssig, ob sie der Frau höflich oder mit aufrichtiger Ablehnung begegnen soll, bietet sie ihr ein Glas Eistee an, legt aber so viel Geringschätzung in ihre Stimme, wie sie aufbringen kann. Als die Polizistin ablehnt, obgleich ihre Kleidung verschwitzt aussieht und ihr Pony an der Stirn klebt, schenkt sie sich selbst eins ein, betätigt ausgiebig den Eiswürfelbereiter am Kühlschrank und sagt: »Heißer Tag heute.«
    »Tolle Küche«, entgegnet Birte Varnhorn und lässt die Hand über den Bianco-Sardo-Granit der Arbeitsplatte gleiten. »Darf ich mich setzen?«
    »Wie Sie wollen«, sagt Marit und bleibt an den Kühlschrank gelehnt stehen. Am liebsten würde sie von vornherein von ihrem Recht Gebrauch machen und die Aussage verweigern. Andererseits will sie nicht den Anschein erwecken, in ihrer Familie gäbe es Heimlichkeiten. Sie weiß, mit demselben Hintergedanken ist sie zuvor bereits auf die Journalistin hereingefallen, doch diesmal will sie es besser machen. Hauptsache, es gelingt ihr, wachsam zu sein.
    Birte Varnhorn versucht, genau das zu verhindern, sie einzulullen, indem sie sich ausführlich nach ihrem Abitur erkundigt. Welche Leistungskurse? – Englisch und Mathe; welcher Notendurchschnitt? – 1 , 2 . Spielt die Beeindruckte und robbt sich über die Frage nach Marits Zukunftsplänen Stück für Stück ans Eingemachte heran.
    »Ist Ihr Bruder auch so gut in der Schule?«
    »Schauen Sie doch in seinen Zeugnissen nach.« Marit trinkt ihren Eistee.
    »Danke für den Tipp. Werde ich machen. Aber ich wette, Sie sind diejenige von Ihnen beiden, der alles zufliegt.«
    Marit schweigt. Was kann sie schon sagen – dass Ansgar sich durch seine Null-Bock-Einstellung unter den Lehrern nicht gerade viele Freunde gemacht hat, was sich logischerweise in den Noten widerspiegelt? Er ist nicht dumm, vielleicht sogar klüger als sie, nur hat ihn Schule nie wirklich interessiert, soweit sie das beurteilen kann.
    »Sie sind ja altersmäßig ziemlich nah beieinander«, legt Birte Varnhorn nach, weiterhin um einen vertraulichen Tonfall bemüht, »das muss toll sein. Wenn ich an meinen Bruder denke, der ist vier Jahre älter und wollte nie etwas von mir wissen. Unternehmen Sie viel zusammen?«
    »Geht so«, sagt Marit, die von der demonstrativen Freundlichkeit der Polizistin überrumpelt ist. Nach dem bisherigen Auftreten der Kommissarin hätte sie eher mit einer Art Verhör auf die harte Tour gerechnet. Ihr soll es recht sein. So ist es leichter.
    »Wieso das denn nicht?«
    »Hat sich nicht so ergeben. Wir haben eben nicht denselben Freundeskreis«, sagt Marit und beeilt sich hinzuzufügen: »Aber wir verstehen uns blendend.«
    »Das ist schön. Dann hat er Ihnen sicher von seinen Problemen mit Zoé erzählt.«
    »Was für Probleme?« Das geht jetzt zu schnell. Marit will ihren Bruder nicht noch mehr in Schwierigkeiten bringen, sie muss Zeit gewinnen, kaut auf einem Eiswürfel, während sie sich das

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