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Luegensommer

Titel: Luegensommer
Autoren: Alexandra Kui
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Richtung. Wenn die Sonne so weiterscheint, ist sie bald fast so strohblond wie als kleines Mädchen.
    Sie küssen sich heftig. Wie die Sonne den Fluss zum Funkeln bringt, dazu seine Umarmung. Supersommer. Sobald sie tief genug im Wasser sind, hat Marit nichts mehr dagegen, wenn Jans Hände sich unter ihr Oberteil schummeln.
    Als sie später bäuchlings auf den Handtüchern liegen und langsam trocknen, zeigt sich Jan überrascht, Ansgar und seine Freundin zu sehen.
    »Ich dachte, die beiden wären getrennt.«
    »Echt? Da weißt du mehr als ich. Wer sagt das?«
    »Tankstellenklatsch. Die Leute stehen in der Schlange und reden über andere Leute.«
    »Tun sie das?«, fragt Marit spöttisch und lässt Sand in die Mulde zwischen seinen braun gebrannten Schulterblättern rieseln. Er ist ein dunkler Typ: Ein halber Tag am Strand und schon sieht er aus, als hätte er drei Wochen Urlaub im Süden hinter sich. »Und reden die auch über uns?«
    »Wohl kaum, wenn ich an der Kasse stehe. Warum sollten sie auch, da gibt’s ja nichts zu reden. Keine Skandale in Sicht. Wir sind total uninteressant.«
    »Und so soll es auch bleiben.«
    Er schreibt mit dem Finger erst ihren, dann seinen Namen in den Sand. »Klar bleibt das so.«
    Jans Mittagspause dauert nur noch zehn Minuten und er will sich noch kurz ausruhen. Kaum hat er den Kopf auf seinen angewinkelten Arm gebettet und die Augen geschlossen, verraten ruhige, gleichmäßige Atemzüge, dass er eingeschlafen ist. Typisch Jan.
    Von den Gerüchten irritiert, beobachtet Marit ihren Bruder und Zóe verstohlen. Wären die zwei tatsächlich getrennt, würden sie wohl kaum zusammen an den Strand gehen. Glücklich sehen sie allerdings nicht aus, wie sie da nebeneinander im Schneidersitz auf ihren Strandlaken kauern, den Blick auf den Fluss gerichtet, scheinbar in ein ernstes Gespräch vertieft. Es täte Marit leid, wenn die Beziehung in die Brüche ginge. Ansgar hat schließlich nicht viele Freunde. Oder überhaupt keine? Zumindest keine, die Marit kennt. Zoés Zuneigung hat ihn in gewisser Weise aufgewertet. Nicht nur wegen ihrer Schönheit, unübersehbar trotz asymmetrischer Punkfrisur und Secondhand-Schmuddelklamotten: ihre seidigen schwarzbraunen Locken, dazu diese großen Kulleraugen in einem irritierend hellen Blau. Was noch mehr zählt: Zóe ist cool. Unabhängig. Geheimnisvoll. Das ist Konsens. Allein schon, weil ihre Eltern bekannte Künstler sind und auf einem Resthof sowohl ein Atelier betreiben als auch eine Schnapsbrennerei. Auch Zoé ist künstlerisch ambitioniert, wie Marit von Ansgar weiß. Die Familie ist erst vor zwei Jahren aus Hamburg hergezogen, und Zoé lässt bei jeder Gelegenheit durchblicken, wie provinziell sie jeden hier findet. Nicht nur deshalb ist sie Marit eher unsympathisch. Dennoch: Für Ansgar ist Zoé zweifellos so etwas wie ein Sechser im Lotto.
    Marit versucht, der Unterhaltung der beiden zu lauschen, doch sie reden zu leise und die Idioten vom Koma-Klub machen ihrem bescheuerten Namen mittlerweile alle Ehre und lallen lautstark vor sich hin, prahlen mit Abstürzen und Weibergeschichten. Als ob irgendeiner von diesen Verlierern jemals bei einer Frau landen könnte, ohne dafür zu bezahlen. Dazu Fetenhits aus einem Handylautsprecher: blechernes Geschepper.
    Zehn Minuten sind um. Marit will gerade Jan wecken, als Zoé unvermittelt aufspringt, das Gesicht wutverzerrt, worauf Ansgar seine Freundin reflexartig am Handgelenk packt und sie festhält.
    »Lass mich los, du Arsch.«
    Jetzt ist sie klar und deutlich zu verstehen.
    Ansgar reagiert nicht.
    »Lass los.«
    Er hält Zoé noch immer: »Bitte bleib hier.«
    Laut wird Ansgar im Gegensatz zu seiner Freundin nicht, wird er selten, aber Marit kann die Worte von seinen Lippen ablesen. Sein Griff ist so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortreten.
    Ein paar Sekunden geschieht überhaupt nichts, wie ein Countdown, dann viel zu schnell zu viel: Zoé verpasst ihrem Freund eine Ohrfeige, brüllendes Gelächter aus dem Lager des Koma-Klubs, Ansgar lässt los, sie haut ab, und als er ihr nachlaufen will, macht Hark Jansen den Arm lang und zieht ihm die Badehose runter. Ansgars Beine verheddern sich, er fällt lang hin, rappelt sich jedoch gleich wieder hoch. Standbild: Marits Bruder splitternackt, inmitten von Gaffern, die lachen und johlen, manche klatschen Beifall. Seine Hilflosigkeit, weil er viel zu lange braucht, um überhaupt zu kapieren, was vor sich geht. Sein Blick in ihre Richtung. Marit fühlt
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