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Luegensommer

Titel: Luegensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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so lange zu leugnen. Schon gar nicht dir gegenüber. Wenn er zu dir gesagt hat, er war es nicht, dann war er’s nicht. Er könnte dich nie so eiskalt belügen. Er verehrt dich.«
    »Wer sagt das?«
    »Wer wohl? Franka natürlich. Nicht jetzt, sondern damals, als sie mit ihm zusammen war. Das habe ich mir gemerkt, weil mich das total beeindruckt hat. Ich hab mir immer einen Bruder gewünscht. Ich hab mir überhaupt alles Mögliche gewünscht, was du besitzt: deine schlanke Figur, dein Auto, deinen Freund. Einen Vater mit einer Eisfabrik. Und so weiter. Das ging einigen so. Deshalb freuen sich jetzt auch so viele, dass ihr in Schwierigkeiten steckt. Ich sag dir, Eifersucht kann ganz schön wehtun. Oder wie nennst du das immer? Sozialneid.«
    »Puh«, macht Marit, weil sie nicht weiß, was sie auf dieses Geständnis antworten soll.
    Jedenfalls ist sie erleichtert, weil die Freundin mittlerweile entschiedener für ihren Bruder Partei ergreift als vor ein paar Tagen. Wenngleich sie die Begründung eher putzig findet: Ansgar soll sie verehren? Bestimmt nicht. Er hätte ja auch überhaupt keinen Grund dafür.
    »Lass uns noch mal über diese Geldsache nachdenken: Grischa hat ein total cooles Hausboot, Hark fährt einen dicken Schlitten und trägt Markenklamotten, Zoé bunkert zehntausend Euro in einer Bibel. Woher kommt die ganze Kohle? Normalerweise sind Künstler eher arme Schlucker, wenn sie nicht gerade total berühmt sind, Klempner auch und Schülerinnen sowieso«, sagt Marit und überlegt, was das bedeuten könnte. »Drogengeschäfte? Vielleicht hat Zoé sich mit der Mafia angelegt?«
    »Oder die vier haben ihre kranken Mord-und-Totschlag-Bilder für viel Geld an einen Perversen verkauft – und der hat dann Zoé umgebracht«, mutmaßt Helene.
    Sie tauschen resignierte Blicke aus. So kommen sie nicht weiter, und das wissen sie beide. Sämtliche Überlegungen sind bloß ihrem Fernsehkonsum entsprungen, in Wirklichkeit haben sie keinen Schimmer, was geschehen ist.
    Schließlich berichtet Helene, dass Mimi Perlan aus Berlin angereist ist. »Die hat mit jemandem von der Hafenbehörde geredet, der sich mit Gewässerströmungen auskennt, und will sich heute noch auf die Suche nach dem Tatort machen. Ich hoffe, dass sie mich mitnimmt.«
    »Mich auch.«
    »Geht nicht.«
    »Wieso das denn nicht?«
    »Du hast in zwanzig Minuten eine Verabredung mit Jan. Er kommt dich in deinem Auto abholen.«
    Marit runzelt die Stirn. »Wie bitte?«
    »Ja, du hattest dein Handy im Auto liegen lassen, als du im Kranzer warst, er hat angerufen und ich bin rangegangen. Ich hab ihm natürlich nicht gesagt, mit wem du dich triffst, sondern, dass du für uns Eis holst. Er will unbedingt mit dir ans Meer fahren. Ich glaube, das solltest du machen. Es schien ihm total wichtig zu sein. Er fühlt sich anscheinend von dir vernachlässigt.«
    Sie haben Marits Elternhaus erreicht. Helene hält am Straßenrand an, ohne den Motor abzuschalten.
    »Das hat er dir einfach so erzählt?«
    »Nicht einfach so. Marit, du kennst mich. Mir war langweilig, da hab ich ihn eben ein wenig ausgequetscht.«
    »Du solltest mich im Auge behalten und nicht meinen Freund über unsere Beziehung befragen.«
    »Ich hatte alles im Blick. Und habe dir nebenbei noch einen Gefallen getan. Komm, sei nicht blöd, Marit. Jan ist ein Guter, so einen findest du so schnell nicht wieder, solche Typen muss man bei Laune halten. Lass ihn nicht los. Außer du willst, dass ich ihn mir schnappe.«
    Typisch Helene, sämtliche Antennen auf Empfang, diese ständige Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten, um ihre Neugier zu befriedigen, ihr selbstzufriedenes Getue dabei. Die geborene Journalistin. Marit weiß nicht, ob sie die Freundin bewundern oder ihr an die Gurgel gehen soll.
    »Wenn dein Markus hören würde, wie du redest«, sagt sie. Eine lahme Retourkutsche.
    Nordsee. Die Flut ist ein Flüstern im Abendlicht, kornblumenblaue Sanftmut. Mar. Dass in ihrem Namen das spanische Wort für Meer versteckt ist, kam Marit während ihres ersten Familienurlaubs an der Costa de la Luz in Andalusien ungeheuer bedeutsam vor: eine Anspielung auf die Existenz eines Zufluchtsorts, an dem sie jederzeit zu sich selbst zurückfinden könnte, sollte sie sich mal verlieren. Unvorstellbar, am Meer dauerhaft unglücklich zu sein, egal ob Nordsee oder Atlantik. Jan kennt diese Theorie, deshalb war es ein kluger Schachzug von ihm, sie für den Abend an die Küste zu entführen. Zumal der Weg dorthin nicht weit ist,

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