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Luegensommer

Titel: Luegensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Zusammen mit deinem Koma-Klub«, sagt Marit, einer Eingebung folgend.
    Hark schweigt, ein selbstgefälliges Grinsen im Gesicht.
    »Weißt du, Hark, egal, was Zoé dir eingeredet hat, weil sie offensichtlich einsam war und total beziehungsgestört, du bist kein Künstler. Du wirst immer nur ein versoffener Gas-Wasser-Scheiße-Hirni bleiben. Mit der Betonung auf Scheiße.«
    Im Auto mault Helene, weil Marit vergessen hat, ihr ein Eis mitzubringen, aber als sie vorschlägt zurückzugehen, winkt die Freundin ab. Sie sei fett genug.
    »Du doch nicht«, sagt Marit mit einem Kopfschütteln.
    »Neben dir fühlt sich halt jeder wie ein Flusspferd, du Size-Zero-Elbnixe.«
    Marit hätte nichts dagegen, etwas mehr Speck auf den Rippen zu haben, wenn dafür auch ihre Brüste größer wären, ihre Proportionen mehr im Einklang. Seit es mit Jan nicht mehr so läuft, ist die überwunden geglaubte Unsicherheit in Bezug auf ihr Äußeres zurückgekehrt. Wenn sie sich kritisch betrachtet, kommt es ihr vor, als bestünde sie nur aus Armen und Beinen, eine lebendige Reproduktion des »iChalky«-Strichmännchens aus ihrem iPhone-Spiel. Helene hingegen hat ihrer Ansicht nach das perfekte Dekolleté, und das ist für eine Frau schon die halbe Miete. Sie muss an Zoés sinnliche Figur denken, an den Fluch ihrer Schönheit. Wie schwierig es ist, sich selbst einfach so zu lieben, ohne Vorbehalt. Ob Jungs und Männer dasselbe Problem haben? Oder finden die sich immer unwiderstehlich?
    »Wenn du ein Eis willst, solltest du eins essen. Alles andere ist totaler Mist«, sagt sie.
    »Okay, aber nur wenn du mitmachst. Ich hab genau gesehen, dass du dein Spaghetti-Eis nicht angerührt hast. Das steht da immer noch und schmilzt vor sich hin.«
    Sie holen sich jeder zwei Kugeln und fahren los. Da Helene mit der Waffel in der Hand schlecht schalten kann, hält Marit es ihr hin. Feierabendverkehr. Die übliche Blechlawine, wegen der Ferien etwas ausgedünnt, hinter jedem Steuer abgekämpfte Berufstätige mit ausdruckslosem Gesicht, das reinste Wachsfigurenkabinett. Sie stecken mittendrin, aber gehören nicht dazu – ätsch –, sie sind gut dran und repräsentieren die Jugend, der die ganzen armen Seelen nachtrauern, haben ewig Ferien, hören Delta-Radio und tun ein, zwei Lieder so, als sei das die einzige Wahrheit und ihre Welt in bester Ordnung.
    Als Helene bremsen muss, weil ein alter Knacker mit seinem Benz die Vorfahrt missachtet und zeitlupenartig aus einer Seitenstraße einschert, zieht Marit die Hand mit der Waffel nicht rechtzeitig zurück und die Freundin hat das Gesicht voller Schokoladeneis, woraufhin sie richtig albern werden. Die einzige Allzweckwaffe gegen das Grauen dieses Sommers.
    Dann ist das Eis verputzt, die gute Stimmung verflogen, und Marit verspürt schon wieder dieses überwältigende Gefühl von Verlust. Ein schwarzes Loch, das alles ansaugt.
    »Also, erzähl schon. Was war jetzt mit Weeerner 4 ever?«, kommt Helene prompt zur Sache und säubert sich mit einem Taschentuch, so gut es geht.
    Marit erstattet Bericht. »Wenn du mich fragst, könnte Hark Jansen genauso gut Zoés Mörder sein wie Grischa«, resümiert sie. »Einfach so von seiner Art her, meine ich. Er hat etwas Brutales und er ist ein richtiger Dreckskerl.«
    »Ja, aber ob das reicht? Um einen Mord zu begehen, meine ich.«
    »Irgendwer muss es ja getan haben.«
    »Theoretisch könnte es jeder gewesen sein, mit dem Zoé im Bett war. Die waren doch alle irgendwie in sie verliebt, die ganzen Typen, und total eifersüchtig aufeinander. Und Zoé mochte das, die hat es ja geradezu herausgefordert«, sagt Helene.
    »Womit wir wieder bei meinem Bruder als Hauptverdächtigem wären. Er war schließlich richtig mit ihr zusammen.«
    »Richtig zusammen, was heißt das schon, bei einem Mädchen wie Zoé?«
    Marit schluckt. Zoés Geschichte deprimiert sie. Ansgar wollte sich von ihr trennen, damit sie ihn nicht zugrunde richtet. Das hat er wortwörtlich gesagt, und dieser Satz liegt ihr ebenfalls schwer im Magen.
    Sie schaut aus dem Fenster. Das Chemiewerk gleitet vorbei, im Hintergrund die Kuppel des Atomkraftwerks, das längst nicht mehr in Betrieb ist. Dann Wiesen, Bäume und verblichene Ortsschilder. Der Verkehr wird dünner.
    »Weißt du, warum ich nicht glaube, dass Ansgar es war?«, fragt Helene.
    Kopfschütteln.
    »Nachdem ich tagelang über ihn nachgedacht habe, würde ich ihm zwar zutrauen, im Streit die Kontrolle über sich zu verlieren, aber nicht, eine so große Schuld

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