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Luegensommer

Titel: Luegensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Anscheinend ist die Gesellschaft des Koma-Klubs sogar für einen Neandertaler wie Hark Jansen auf Dauer nicht abendfüllend.
    »Du bist Elbnixe?«, fragt er ungläubig.
    Marit nickt und erspart es sich, Harks Nickname aufzusagen, dessen Bedeutung sich ihr nun auf einen Schlag erschließt: Werner, in Anlehnung an die Comicfigur von Trickzeichner Brösel. Das erklärt auch das Profilbild.
    »Ein trinkfreudiger Klempner mit künstlerischen Ambitionen auf Brautschau. Sachen gibt’s.« Unaufgefordert nimmt sie an seinem Tisch Platz und eine Wolke nicht ganz billigen Aftershaves umschließt sie.
    Als Sekunden später die Kellnerin erscheint, ganz in Schwarz mit weißem Häkelschürzchen, bestellt sie Spaghetti-Eis und Espresso. Hark verlangt die Rechnung.
    »Können wir kurz reden?«, fragt sie, sobald sie allein sind.
    »Ich wüsste nicht, was wir zwei zu bereden hätten«, entgegnet Hark und schaufelt sich im Rekordtempo Eis, Sahne und Bananenstückchen in den Mund.
    »Es geht um Zoé.«
    »Dein Bruder war’s.«
    »Nein, er war es nicht.«
    Hark hat sein Eis fast geschafft, legt den Löffel auf den silbernen Platzteller und steht auf. »Ich zahle drinnen an der Kasse.«
    »Bitte bleib.«
    »Sag das noch mal.«
    Marit rollt die Augen. »Bitte!«
    »Wow, das geht runter wie Öl. Ein Ehrenmitglied der Ausbeuterklasse bettelt mich an, ihr beim Eisessen Gesellschaft zu leisten.«
    »Hark, was soll der Quatsch?«
    »Das ist kein Quatsch. Ich bin Kommunist.«
    »Du weißt doch gar nicht, was das ist. Was du fühlst, nennt man Sozialneid.«
    »Genau das meine ich mit arrogant. Dein geliebter Bruder ist da ganz anders, das muss ich zugeben. Leider ist er ein Killer.«
    Die Kellnerin kommt mit Marits Bestellung und der Rechnung für Hark. Er gibt ein großzügiges Trinkgeld. Für einen Kommunisten ist er recht konsumfreudig: die teure Jeans, das Aftershave. Die Sonnenbrille, die vor ihm auf dem Tisch liegt, ist auch kein Modell vom Discounter. Marit denkt, dass sie niemanden auf der Welt so sehr verabscheut wie Hark Jansen. Nicht einmal Zoés Vater oder Birte Varnhorn.
    »Und weil Ansgar so unarrogant ist, hast du dich insgeheim mit ihm angefreundet und mit ihm, Zoé und Grischa ein gemeinsames Kunstprojekt durchgezogen?«
    »Das war keine Freundschaft«, sagt Hark mit einem verächtlichen Schnauben. »Zoé hat uns zusammengebracht. Sie war übrigens auch diejenige, die mich überredet hat, bei Rena Zeichenunterricht zu nehmen. Letztes Jahr. Ich wollte bloß bei ihrem Alten Schnaps kaufen, und da stand sie mit einer Staffelei im Garten und sah so geil aus, wie sie eben aussah, und hat mir einfach so den Pinsel in die Hand gedrückt. Weißt du, du siehst in mir nur einen versoffenen Gas-Wasser-Scheiße-Hirni, aber Zoé wollte einen Künstler aus mir machen.« Er setzt sich aufrechter hin.
    Marit muss lachen. Hark mag ja ganz nett zeichnen können, aber von einem Künstler ist er mindestens ebenso weit entfernt wie von einer politischen Karriere als Linker.
    »Und war es auch Zoés Idee, für euch als Mordopfer zu posieren?«
    Schulterzucken. »Ich glaube, das war eher auf Grischas Mist gewachsen. Ziemlich kranke Nummer. Aber geil ohne Ende. Echt. Geil, geil, geil.«
    Marit merkt, wie ihre Gesichtszüge auf eine Weise entgleisen, an der Hark Gefallen findet. Wie konnte ein so begabter Mensch wie Zoé sich nur mit solchen Nieten umgeben? Dieser Typ ist schlicht nicht auszuhalten. Keine zehn Minuten.
    Sie trinkt ihren Espresso und beherrscht sich. Das Eis schmilzt unangerührt vor sich hin. Der Wind trägt Lärm und Gestank der Straße zu ihnen herüber.
    »War noch jemand dabei?«
    »Ist das ein Verhör, oder was? Nein, nur dein Bruder, Grischa und ich. Und wir waren absolut keine Freunde«, wiederholt er. »Wir konnten uns nicht ausstehen, weil wir alle scharf auf Zoé waren.«
    »Und wer hat sie bekommen?«
    Hark lacht ein lautes, gehässiges Lachen, übertönt damit sogar die Sirene eines Krankenwagens, der auf der Bundesstraße vorbeirauscht. »Na, was glaubst du wohl? Jeder von uns. Das war ja das Problem mit Zoé, dass sie so eine Schlampe war. Dein Bruder, diese arme Sau, ist damit überhaupt nicht klargekommen. Deswegen hat er ihr ja auch am Ende das Licht ausgeblasen.«
    »Nein, das hat er nicht.«
    Marit hat genug gehört, sie lässt Hark sitzen und geht nach drinnen, um ihre Rechnung zu begleichen.
    Draußen auf dem Parkplatz begegnen sie sich wieder. »Ich wette, du hast bei uns zu Hause die Scheiben eingeworfen.

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