Luegst du noch oder liebst du schon Roman
solange auf der Terrasse nach dem Rechten! An sich kümmert meine Putzfrau sich um die Balkonbepflanzung, aber sie hat gerade zwei Wochen Urlaub.
Während ich mit der Gießkanne hantiere, schaue ich auf die Straße hinunter. Diese Gegend an der Alster ist wirklich um einiges nobler als Eimsbüttel, aber dafür nicht so lebendig.
Meine Fantasie hingegen scheint alles andere als tot zu sein: Ich bilde mir nämlich gerade ein, dass sich unten Franca mit meinem Nachbarn, Doktor Paul Patzak, unterhält.
Ich reibe mir verwundert die Augen - aber dort, wo ich eben Franca zu sehen geglaubt habe, fegt nur ein Müllmann Berge von verdörrten Lindenblättern zusammen. Drinnen klingelt das Telefon Sturm. Es ist Amelie Künzelmann, die mich seit Tagen mit Anrufen bombardiert. Angeblich wollen Patricia Hardeland und Simon Gruber mit mir über ein neues Buchprojekt verhandeln
und schicken sie vor. Aber so ganz glaube ich ihr nicht. Es ist wohl eher ein Vorwand, mich dezent daran zu erinnern, dass ich sie natürlich nicht wie versprochen zurückgerufen habe.
Manche Frauen haben offenbar keinerlei Hemmungen.
Oder überhaupt keinen Stolz.
37
Lügen haben schöne Beine
FRANCA PETERS - DIENSTAG, 6. JULI
»Mensch, freue ich mich, dich wiederzusehen! Ist ja schon eine Weile her«, begrüße ich Nadine, als wir uns am Vormittag in der Innenstadt treffen, wo sie zuvor einen Termin mit einem potenziellen Kunden für ihre Kosmetiklinie hatte. Toll sieht sie aus - zufrieden und glücklich!
Wir setzen uns auf eine Bank, schlecken Eis und schauen auf die vor uns liegende Binnenalster und die von dort ablegenden Fähren.
»Manchmal vermisse ich Hamburg«, seufzt Nadine und wirft einen sehnsuchtsvollen Blick übers Wasser. »Ich habe wirklich gern hier gewohnt.«
»O, du Arme! Im sonnigen Südfrankreich zu leben, muss ja die reinste Folter sein«, knuffe ich sie frotzelnd in die Seite. »Wie gefällt dir das Leben eigentlich dort, und was ist das genau für ein Projekt?«
Ich erfahre, dass Nadine sich auf Pflegekosmetik aus biologisch angebautem Lavendel spezialisiert hat, der in ihrer Heimat wächst, dem Pays de Forqualquier in der Haute Provence. Ihrer Familie gehören seit Generationen
Lavendelfelder und eine große Destillerie, in der das kostbare Öl ohne chemische Zusatzstoffe und Konservierungsmittel produziert wird.
»Momentan umfasst meine Produktpalette Badeöle, Flüssigseifen und Lotionen, Fußbäder, Cremes und Duftsäckchen«, zählt sie auf, und ein Strahlen liegt auf ihrem Gesicht. »Und wenn es weiterhin so gut läuft wie derzeit in Frankreich, England und Italien, baue ich das Angebot aus.«
»Herzlichen Glückwunsch, das klingt sehr vielversprechend«, gratuliere ich ihr. »Und wie kann ich dir helfen?«
»Ich würde dich gern für die Einführungskampagne auf dem deutschen Markt engagieren, sofern du dir das vorstellen kannst und es für dich keinen Interessenkonflikt mit Pure-Nature gibt. Du hast einen so tollen Job für die gemacht, dass ich mir niemand besseren für diese Aufgabe wünschen könnte.«
Genau! Wird Zeit, dass das endlich mal jemand zur Kenntnis nimmt!
Ich erzähle Nadine von meinem Clinch mit Ingrid Arnold, der Kündigung und meinem Plan, mich als PR-Frau selbstständig zu machen.
»Tut mir leid, dass das eine so negative Wendung genommen hat. Aber auf diese Weise hast du immerhin schon deine erste Auftraggeberin«, lächelt Nadine zufrieden. »Und du könntest die Produkte weiter betreuen, wenn uns die Etablierung auf dem deutschen Markt gelungen ist.«
Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Dann könnte
ich die Firma Lavendula als ersten Auftraggeber auf meinen Businessplan setzen!
Nachdem wir ein Weilchen über Umfang, Strategien und Bezahlung der Kampagne gesprochen haben und uns einig geworden sind, stellt Nadine die unvermeidliche Frage nach meinem Liebesleben.
»Es gab da jemanden«, beginne ich zögernd und erzähle in Kurzfassung die Geschichte von Oliver und mir. Mein Liebesintermezzo mit Tobias lasse ich unerwähnt.
»Oh, das klingt ein bisschen kompliziert«, entgegnet Nadine seufzend. Sie selbst stolpert, seit ich sie kenne, durch chaotische Liebesgeschichten, meist mit verheirateten Männern. »Meinst du denn, dass er ein Problem mit Sammy hätte, vorausgesetzt, es stellt sich heraus, dass er doch nicht wieder mit seiner Frau zusammen ist? Oder eher damit, dass du ihn über Wochen angelogen hast?«
Ich werfe meinen Waffelrest in die Alster, und es dauert keine Sekunde,
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