Luegst du noch oder liebst du schon Roman
ich, dass meine Freundin in dieser Hinsicht kein Mauerblümchendasein
führt. Aber mit einem Mann ins Bett zu steigen, den man kaum kennt und der einen noch nicht einmal sexuell anzieht?
»Und wie war’s?«, frage ich vorsichtig.
»Sensationell«, schwärmt Mia, und ich bin augenblicklich neidisch. »Der Punkt ist nämlich - und das musst du dir merken -, dass Männer, die nicht so wahnsinnig attraktiv sind, sich mehr ins Zeug legen. Die ruhen sich nicht auf ihrem guten Aussehen und ihrem durchtrainierten Körper aus, sondern bemühen sich, deine Wünsche zu erfüllen.«
Mir wird heiß und kalt. Und ein bisschen warm zwischen den Schenkeln. Vielleicht sollte ich heute Nachmittag nach einem Sexualpartner Ausschau halten statt nach dem Mann fürs Leben?!
»Du wirst ihn also wiedersehen«, konstatiere ich so sachlich wie möglich. Mia soll nicht merken, dass ich momentan hormonell übersteuere.
»Aber definitiv! So einen Typen lasse ich mir nicht entgehen. Guter Sex ist ein wunderbares Verjüngungsmittel, gut fürs Immunsystem und gibt dir das Gefühl, eine Göttin zu sein.«
Hmmm. Wie eine Göttin habe ich mich an Ralfs Seite eigentlich nie gefühlt. Und auch nicht an der Seite meiner Freunde vor ihm. Scheint, als hätte ich da etwas verpasst.
Bevor Mia sich in intimen Details verliert, vereinbaren wir, dass ich sie anrufe, sobald ich aus dem Catwalk-Café zurück bin. Ihr »Wenn du dich nicht melden solltest, weiß ich Bescheid« ignoriere ich geflissentlich. Immerhin besagen die Statuten des Speed-Datings, dass
man sich unmittelbar nach den dort geführten Gesprächen trennen und abwarten muss, ob man am nächsten Tag kontaktiert wird. Ein Date nach dem Dating verstößt schlichtweg gegen die Regeln.
Nachdem ich aufgelegt habe, rufe ich auf Ralfs Handy an. Sammy klingt quietschvergnügt und scheint jede Menge Spaß auf Sylt zu haben. Er erzählt begeistert von der Überfahrt auf dem Hindenburgdamm und davon, dass er mit dem Auto ganz oben mitfahren durfte. Ich freue mich für ihn und bin erleichtert zu hören, dass die Ferientage offenbar ohne Reibereien verlaufen. Entsprechend entspannt widme ich mich meinen Vorbereitungen für den heutigen Nachmittag: Ich lege mich in die Wanne, peele mein Gesicht, Dekolleté und die Oberarme und trage eine pflegende Maske auf. Selbstredend alles ausnahmslos von Pure-Nature-Cosmetics.
Peeling und Maske benutze ich heute zum ersten Mal und muss zugeben, dass sie nicht besonders gut riechen. Ich würde zwar nicht so weit gehen zu sagen, dass sie »stinken wie die Pest«, wie Britta es so schonungslos formuliert hat. Aber ein wenig Parfümierung könnte dem Ganzen nicht schaden, Öko hin oder her. Vielleicht sollte ich tatsächlich mit Ingrid Arnold über dieses Problem sprechen.
Nachdem ich mir die Beine rasiert und die Augenbrauen gezupft habe, begutachte ich meine Einkäufe. Es stehen drei Kombis zur Auswahl, und ich bin unsicher, was ich anziehen soll.
Will ich den Vamp geben, der jemanden fürs Bett sucht?
Den Kumpeltyp, mit dem man Pferde stehlen und ins Kino gehen kann?
Oder die liebesbedürftige Fast-Vierzigjährige, die sich nach tiefen, echten Gefühlen sehnt?
Ich entscheide mich für einen Mix aus eins und zwei, also Jeans zum Pferdestehlen und Stallausmisten (untenrum) und violettes Neckholdertop als Amuse-Gueule für heiße Nächte (obenrum).
Auch wenn das »Untendrunter« heute mit Sicherheit nicht zum Einsatz kommt, wühle ich mich durch die Wäscheschublade. Der Inhalt verdient diesen Namen leider ebenso wenig, wie man schnöden Roten aus dem Tetrapack mit einem Jahrgangs-Barolo vergleichen und beides als Wein bezeichnen kann. Die ausgeleierten, zum Teil verfärbten Höschen und BHs geben Zeugnis davon, dass ich seit Ewigkeiten keinen Anlass mehr hatte, sie zu präsentieren. Deprimierend!
Sollte es also auf lange Sicht zum Äußersten kommen, muss ich wohl auch in diesem Bereich Vorsorge treffen. Apropos: Wäre es nicht klug, mich demnächst in der Drogerie mit Kondomen einzudecken? Schließlich kann man heutzutage nicht vorsichtig genug sein. Außerdem will ich mich nicht darauf verlassen müssen, dass er … Halt!, ermahne ich mich selbst. Einen Schritt nach dem anderen.
Pünktlich um Viertel vor fünf mache ich mich mit klopfendem Herzen auf den Weg. Das Café befindet sich in der Weidenallee, in der Nähe des Raio Solar. Ich winke Hamit und Sengül im Vorbeigehen zu, die gerade gut zu
tun haben, weil auf Sky Fußball übertragen wird und alle
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