Luegst du noch oder liebst du schon Roman
Vorträge halten, ach, keine Ahnung.«
»Aber was ist daran so schlimm? Karrierefrauen arbeiten eben viel und haben wenig Zeit. Das müsste dir doch eigentlich gut in den Kram passen. Wer war denn bislang immer derjenige, der seine Affären maximal am Samstag sehen wollte?«
Stimmt auch wieder, wenn ich so drüber nachdenke …
»Freu dich doch, dass sie offenbar keine Klette ist, die dich spätestens nach drei Wochen tödlich nerven würde.«
»Und wieso hat dieser Typ im Café ihr geraten, sich einen reichen Macker zu angeln, wenn sie so erfolgreich ist?«, gebe ich zu bedenken, nachdem ich von meiner ersten Begegnung mit Franca im Raio Solar erzählt habe. Dominic isst erst einmal seinen halben Teller leer, bevor er antwortet. Ich selbst bringe gerade keinen Bissen hinunter.
»Keine Ahnung! Frag sie doch einfach. Vielleicht hat er ihr nur den Tipp gegeben, sich nicht mit jemandem
einzulassen, der nicht so viel Erfolg hat und weniger verdient als sie. Es gibt schließlich viele Männer, die ein massives Problem damit haben, wenn Frauen ihnen in beruflicher Hinsicht überlegen sind oder mehr verdienen.«
Ja, das könnte eine Erklärung sein …
»Habt ihr denn schon eine feste zweite Verabredung?«
»Nein, sie sagt, sie meldet sich, wenn sie wieder da ist.«
Dominic lacht.
»Ah, das alte Spiel: ›Don’t call us, we call you‹. Endlich trifft es dich jetzt auch mal.«
Danke schön, ich kann mir augenblicklich nichts Tolleres vorstellen.
»Hey, entspann dich! Es ist das erste Mal, dass du an eine Frau gerätst, die nicht deinem sonstigen Beuteschema entspricht. Was soll’s. Dann machst du eben in deinem hohen Alter noch vollkommen neue Erfahrungen. Ist doch super! Aber nur so aus Neugier: Wie heißt deine Tochter eigentlich?«
Welche Tochter? Ach so, die!
»Lucia«, antworte ich knapp. Mir war auf die Schnelle kein anderer Name eingefallen.
»Ach, wie originell. Und wie soll das Ganze weitergehen? Willst du dir Lucia in regelmäßigen Abständen ausleihen, damit Franca dir glaubt? Mann, Oliver! Warum hast du ihr denn nicht wenigstens bei eurem Abendessen die Wahrheit gesagt?«
Keine Ahnung, denke ich, ich wollte ja. Aber als Franca plötzlich vor mir stand, in diesem rattenscharfen
Jeans-Mini, mit den bordeauxfarbenen Lippen und diesem Glühen, das sie umgab wie eine Aura, wollte ich unseren schönen ersten Abend nicht verderben.
»Es hat sich eben kein passender Augenblick ergeben. Ursprünglich hatte ich vor, es ihr gleich am Telefon zu sagen. Aber der Klang ihrer Stimme hat mich so verwirrt, dass ich es auf den Aperitif verschoben habe. Aber als der kam und wir uns geküsst haben, konnte ich es einfach nicht. Und weißt du, was seltsam war?«
»Na?«
»Ich habe es genossen, ihr einfach nur zuzuhören.«
»Wow«, sagt Dominic, offenbar zutiefst beeindruckt. »Dann muss es dich wirklich schwer erwischt haben, mein Lieber.«
»Jetzt sag aber nicht noch einmal, dass du nie gedacht hättest, das jemals erleben zu dürfen.«
»Nein. Ich sage nur: Bring die Sache in Ordnung, und mach reinen Tisch! Und zwar so schnell wie möglich! Denn wenn Franca der Typ Frau ist, für den ich sie momentan halte, könnte das ein schnelles Aus für eure Beziehung bedeuten, wenn du zu spät mit der Wahrheit rausrückst. Also ruf sie an, am besten jetzt gleich!«
Zu Hause angekommen setze ich mich sofort an den Schreibtisch. Jedoch nicht, um Franca anzurufen, sondern um über Wölfe zu recherchieren. Eine Minute später erfahre ich bei Wikipedia, dass deren normale Sozialordnung das Rudel ist, obwohl man in der Wildnis häufig einzelne Wölfe antrifft. Die sogenannten Alpha-Paare zeugen Nachkommen und legen damit den Grundstein
für die Wolfsfamilie. Was also folgere ich nun aus dem Ganzen?
Denn leider sagt Wikipedia nichts darüber, wie Wölfinnen sich gegenüber Nachwuchs anderer Mütter verhalten, die sich in buddhistischen Klöstern aufhalten, um zu sich selbst zu finden. Erst recht nicht, wenn diese Mütter nebst ihres sechsjährigen Zuwachses reine Fiktion sind …
13
Mehr Schein als Sein
FRANCA PETERS - MITTWOCH, 26. MAI
»Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?«
Fassungslos starre ich Ralf an. Dann schicke ich Sammy in sein Zimmer. Zum Glück tut er ausnahmsweise, was ich ihm sage.
»Franca, es tut mir leid«, versucht mein Exmann, mich zu beschwichtigen, während es in mir brodelt wie im Ätna kurz vor dem Ausbruch. »Aber ich möchte in Brittas Nähe sein, verstehst du das denn
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