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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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saßen gedrängt um den kleinen Besprechungstisch in
seinem Büro und leckten unsere Wunden. »Wie konnte das passieren?« Sein Blick
blieb an mir hängen. »Du hättest diese Andrea Herbstmann direkt festnehmen
müssen, Ina. Bevor sie die Leute aufgewiegelt hat.«
    »Sie hat niemanden
aufgewiegelt. Sie hat versucht, die Menschen für ihre Sache zu begeistern. Das
kann man ihr nicht verbieten.«
    Die Tür öffnete
sich, und Judith kam herein. Sie drückte sich hinter den Stühlen an der Wand entlang
und setzte sich auf den letzten freien Platz.
    »Aber eine
unangemeldete Demonstration kann man verbieten. Man kann sie abbrechen.« Hansen
stand auf, ging zum Fenster und versenkte seine Hände in den Hosentaschen. Er
starrte auf den Parkplatz vor dem Polizeigebäude. »Ab welchem Zeitpunkt wurde
euch klar, dass die Sache nicht friedlich bleiben würde?«
    »Es ging alles sehr
schnell«, murmelte einer der Kollegen aus der Runde.
    »Das ist aber keine
Entschuldigung!«, donnerte Hansen, drehte sich um und kam zum Tisch zurück. Er
stützte sich mit einer Hand auf die Holzplatte und bohrte die andere mit
spitzem Finger in die Luft. »Ihr hättet erkennen müssen, dass es nicht nur
Gemünder waren, die sich da versammelt hatten, und dass diese Demotouristen auf
Krawall gebürstet waren.«
    Ich betrachtete
meine Fingernägel. Was Hansen sagte, stimmte. Wir hätten früher reagieren
müssen. Ich legte die Fingerspitzen auf meinen Mund und klopfte ein Stakkato
auf meinen Lippen. Die Wahrheit war: Ich hätte es früher erkennen und reagieren
müssen. Nicht Judith. Ihr fehlte die Erfahrung. Nicht einmal die Kollegen am
hinteren Ende der Menschenansammlung, wo der Tumult ausbrach, konnte ich dafür
verantwortlich machen. Sie hatten eingegriffen, als es losging. Nein. Die
Gesichter der Leute waren mir zugewandt gewesen.
    »Ich übernehme die
Verantwortung, Bernhard.«
    Die Kollegen sahen
mich an, und ich konnte beobachten, wie sie mit einer Mischung aus
Erleichterung und Dankbarkeit auf ihren Stühlen in sich zusammensanken, als ob
man die Luft aus ihnen herausgelassen hätte. Judith hob die Hand, als ob sie
einen Einwand loswerden wollte, aber ich schüttelte den Kopf. Hansen runzelte
die Stirn. Seine Augenbraue zuckte in die Höhe. »In Ordnung, Ina.« Unmerkliches
Nicken. Er richtete das Wort an die anderen, ohne mich aus den Augen zu lassen.
»Ihr könnt gehen.«
    Stühle scharrten.
Die Kollegen verließen den Raum. Als sie gegangen waren und die Tür hinter
ihnen ins Schloss fiel, trat er wieder an das Fenster. Ich stellte mich neben
ihn.
    »Dein Wagen läuft wieder?«,
fragte er und wies mit einem Nicken auf meinen grünen Käfer unten auf dem
Parkplatz.
    »War nicht so
schlimm diesmal. Der Anlasser klemmte nur. Ich habe mich gestern unter den
Wagen gequetscht und mit dem Hammer draufgeschlagen, dann ging es wieder.«
    Hansen lachte. »Mit
dem Hammer?«
    »Ja. Ein Tipp meines
Lieblingsmechanikers. Funktioniert eigentlich immer. Und wenn es nicht mehr
funktioniert, baut er mir einen neuen Anlasser ein. Den hat er sich
vorsichtshalber schon besorgt.«
    »Warum kaufst du dir
keinen neuen Wagen, Ina? Dieses Teil kostet dich doch nur Zeit und Geld und
Nerven.«
    »Ich mag den Wagen.
Deswegen.« Ich lehnte meine Stirn an die Fensterscheibe. »Du willst aber jetzt
nicht mit mir über den Käfer sprechen, oder?«
    Hansen seufzte. »Du
bist jetzt wie lange hier, Ina?«
    »Sieben Monate.« Ich
antwortete ihm, obwohl es eine rhetorische Frage gewesen war.
    »Richtig.« Er
nickte. »Sieben Monate.« Er sah mich an. »Aber du bist hier immer noch nicht
angekommen.«
    Ich schwieg.
    »Machst immer noch
deine Alleingänge. So wie eben.« Er senkte den Kopf. »Ich habe mehr als einmal
darüber hinweggesehen, weil ich sehr viel von dir als Polizistin halte und
weiß, dass du ein gutes Gespür hast. Aber wir sind hier eine kleine
Polizeiwache auf dem Land, kein Riesenapparat, in dem man sich verstecken kann.
Wir sind ein Team, in das du dich einfügen musst.«
    Hansen ging zum
Tisch, griff nach einem Blatt Papier und hielt es mir hin. »Hier«, sagte er und
drehte es so, dass ich die Schrift lesen konnte. Es war das Protokoll zu Andreas
Festnahme. »Sie sitzt im Vernehmungsraum. Klär die Sache.«
    »Darfst du
überhaupt mit mir sprechen?« Andrea lehnte sich auf dem Stuhl zurück und
verschränkte die Arme.
    Ich ließ die Tür
einen Spaltbreit offen, ging zum dem schmalen Tisch und setzte mich ihr
gegenüber. »Wusstest du, dass die Sache

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