Luftkurmord
eskalieren würde?«, fragte ich sie und
legte einen Schreibblock samt Kugelschreiber zwischen uns beide.
Andrea biss sich auf
die Unterlippe, schwieg aber.
»Du hast mir gesagt,
du wolltest Leute mobilisieren.« Ich beugte mich vor. »Diese Leute?«
Andrea wandte den
Kopf ab und schlug ihre Beine übereinander. Sie mied meinen Blick.
»Das waren keine
Gemünder, Andrea.«
Sie zuckte zusammen.
»Natürlich waren da auch Gemünder dabei! Meinst du, es ist den Leuten egal, was
hier über ihre Köpfe hinweg entschieden wird?«
»Die Gemünder
bekommen doch ihren Hintern nur im allergrößten Notfall hoch. Und dich würden
sie ja schon mal gar nicht unterstützen.« Ich griff nach dem Kugelschreiber.
»Ach, und warum
nicht?«
»Weil du eine bist,
die zwar von hier ist, sich aber nicht wie eine von hier benimmt. Du fällst aus
der Rolle, und das mögen sie nicht. Weder im Guten noch im Schlechten. Sie
beneiden dich um die Freiheit, die du dir nimmst, und um das, was du auf die
Beine stellst. Deswegen strafen sie dich mit Nichtachtung.«
Andrea lachte
bitter. »Redest du jetzt von mir oder von dir?«
Ich schwieg.
»Was ist los mit
dir, Ina?« Andrea entknotete ihre Arme und beugte sich ebenfalls über die
Tischplatte, bis sie mit ihren Händen meine Finger berührte. »Wirst du nicht
wütend, wenn irgend so eine dahergelaufene Wirtschaftsheuschrecke mitten im
Nationalpark ein Hotel bauen will? Nichts, aber auch gar nichts hat das
Unternehmen mit der Eifel am Hut!«
Ich zog meine Hände
zurück. »Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob die Idee wirklich so schlecht
ist, wie du immer behauptest.« Ich versuchte mich wieder zu beruhigen und
meinen Ausbruch von gerade eben zu verstehen. »Immerhin bringt es
Arbeitsplätze, und die können wir hier gut gebrauchen.«
»Ach was!« Andrea
sprang auf, und ihr Stuhl rutschte krachend nach hinten. »So ein Unsinn. Weißt
du, was passieren wird? Sie setzen das Hotel in die geschützte Landschaft,
greifen womöglich noch Fördergelder ab, und wenn es dann nicht rentabel ist,
ziehen sie den Schwanz ein und lassen die Stadt Schleiden mit dem Teil allein
dastehen.«
»Alles in Ordnung?«
Ein Kollege steckte den Kopf durch den Türspalt und machte Anstalten
hereinzukommen.
Ich hob die Hand und
winkte ab. »Ja, alles okay«, murmelte ich und sagte dann, mit Blick auf Andrea:
»Setz dich.«
Sie ballte die
Fäuste, verkrampfte sich für einen kurzen Moment und machte ein wütendes
Geräusch.
»Setz dich, Andrea.«
Sie blieb stehen.
»Es geht auch gar
nicht darum, was ich von der Sache halte oder wie ich dazu stehe. Es geht
darum, ob ich dich gleich gehen lassen kann, oder ob ich dich festsetzen muss.«
»Ohne Anklage zu
erheben, darfst du mich höchstens bis morgen um Mitternacht hier festhalten.«
»Ach was.«
»Oder du musst mich
einem Haftrichter vorstellen.«
»Andrea! Jetzt hör
mit dem Scheiß auf«, knurrte ich. »Wir sind Freundinnen, und ich versuche, das
Beste für dich aus der Situation hier zu machen.«
»Weiß dein Chef,
dass wir uns kennen?«
»In Gemünd kennt
jeder jeden.«
»Das meine ich
nicht.«
»Nein, er weiß es
nicht. Und er hat mir noch vor einer halben Stunde meine Alleingänge
vorgehalten. Also mach jetzt hier nicht einen auf Ökoterrorist, sondern
verhalte dich so, dass wir beide gut aus der Sache rauskommen.«
Andrea ließ sich auf
den Stuhl fallen, setzte sich gerade hin und legte die Hände in ihrem Schoß
übereinander. Unsere Blicke trafen sich, und ich erkannte in ihren funkelnden
Augen den Widerstreit, den sie mit sich ausfocht. Schließlich seufzte sie. »Ich
habe es gestern Nachmittag über eine Mailingliste meinen Bekannten mitgeteilt
und die Nachricht außerdem über Netzwerkseiten laufen lassen. Da macht so was
ganz schnell die Runde, und es kommen Leute an Informationen, die man
ursprünglich nicht im Sinn gehabt hat.«
»Ich habe keine Mail
von dir bekommen.«
»Du bist
Polizistin.«
Ich nickte. »Okay.«
Andrea griff nach
dem Schreibblock und starrte darauf, als ob die Namen derer, die von der Demo
gewusst hatten, auf dem Papier stehen würden. »Jürgen, Mike, Hanna, Claudia,
Susanne, Regina«, zählte sie die Namen unserer gemeinsamen Freunde auf. »Sie
wussten Bescheid, und es war Ihnen auch wichtig genug, um zu erscheinen. Ich
habe sie zwar nicht gesehen, aber sie waren bestimmt da.«
»Nicht alle waren
da.« Ich starrte Andrea an. Sie wusste es noch nicht.
»Doch. Alle. Wir hatten
das im Vorfeld abgesprochen.
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