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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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ihren Block gesehen hätte,
nachdem sie aufgehört hatte zu schreiben. Es machte ihn nervös. Kai Rokke
presste weiter die Kühlkompresse auf sein Gesicht, die ihm der Arzt im
Schleidener Krankenhaus gegeben hatte. Die erfreuliche Mitteilung, seine Nase
sei nicht gebrochen, milderte den Schmerz nicht ab. Es pochte hinter seiner
Stirn. Er hätte gerne eine geraucht. Hier, auf der Polizeistation, jedoch ein
Ding der Unmöglichkeit. Und so beschränkte er sich darauf, an dem blauen
Gelpack vorbei Judith Bleuler nicht aus den Augen zu lassen. Er dachte oft
darüber nach, warum er sich wie verhielt – und zwar bevor er sich verhielt. Spontaneität war nicht eines seiner beliebtesten
Verhaltensmuster, und er begriff immer noch nicht, was ihn eben geritten hatte.
    »Was wollten Sie auf
der Demo?«, unterbrach Judith Bleuler seinen Gedankengang.
    »Nichts.«
    »Aber Sie waren doch
da.«
    »Ich wusste nichts
von einer Demonstration.«
    »Sondern?« Ihr Ton
war neutral, aber sie trommelte ungeduldig mit den Fingern auf die Tischplatte.
    »Die Regatta. Ich
wollte zur Regatta.« Das Gespräch lief völlig anders, als er erwartet hatte. Er
runzelte die Stirn.
    »Ist Ihnen nicht
aufgefallen, dass es nicht nur Regattabesucher waren, die auf der Brücke
standen?«
    »Doch.«
    »Und trotzdem sind
Sie weitergegangen?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Ich weiß nicht.« Er
versuchte es mit einem Lächeln.
    »Herr Hornbläser.«
Sie reagierte nicht auf seinen freundlichen Blick. »Wir begegnen uns heute
bereits zum zweiten Mal. Beide Male unter nicht gerade normalen Umständen. Es
sei denn, für Sie ist es normal, Steine zu werfen oder Leichen zu entdecken.«
    »Nein. Das ist es
nicht.«
    »Nun, dann lassen
Sie sich doch nicht alles aus der Nase ziehen.« Judith Bleuler lehnte sich
zurück, ließ aber ihre Hände weiterhin auf dem Tisch liegen.
    »Ich habe nach Ihnen
gesucht.«
    »Sie haben was?«
Verblüfft schaute sie ihn an.
    Er nickte. Jetzt war
es sowieso egal, was sie von ihm dachte. »Sie hatten doch gesagt, wenn mir noch
etwas einfiele, dann …«
    »Und ist Ihnen noch
etwas eingefallen?«
    »Ja.« Er räusperte
sich. »Ich bin mir aber nicht sicher, ob es wichtig ist.«
    »Und da haben Sie
sich erst mal ein bisschen Zeit genommen und sich ein wenig geprügelt, um
besser nachdenken zu können.«
    »Ja. Ich meine …
Nein.« Mit ihrer Art machte sie ihn wirklich nervös. Er räusperte sich und
setzte sich gerade hin. Das war ja albern. »Nein.« Er sah sie an. »Ich wollte
Sie nur nicht mit Lappalien belästigen.«
    Er schaffte es,
seine Stimme fest klingen zu lassen, als er fortfuhr und ihr von seiner
Beobachtung berichtete.
    »Sie sind sicher,
dass es die gleiche Frau war?«
    »Nein. Nicht zu
hundert Prozent. Deswegen habe ich ja gezögert.«
    Judith Bleuler
nickte langsam. »Können Sie sie beschreiben?«
    »Nicht im Detail.
Ich war mit der ›Lydia‹ beschäftigt und habe sie nur aus den Augenwinkeln
heraus am Wohnmobil vorbeigehen sehen.«
    »Was macht Sie dann
glauben, es wäre die gleiche Frau? Hatte sie eine ähnliche Größe? Ähnliche
Haare?«
    »Die Tasche.«
    »Bitte?«
    »Sie haben mich
gefragt, was mich sicher macht, und ich habe Ihnen geantwortet: die Tasche. Sie
war sehr auffällig.«
    Judith Bleuler sah
ihn an, notierte etwas auf ihrem Block und klappte ihn dann zu. »Und jetzt?«,
fragte sie.
    »Hätte ich gern die
›Lydia‹ zurück.«
    »Um was zu tun?«
    »Abreisen?«, sagte
er und wunderte sich über die Frage, die in seinem Tonfall mitschwang.
    »Ich werde
nachfragen, wie lange das Schiff noch in der Spurensicherung gebraucht wird.«
Judith Bleuler stand auf, griff nach ihrem Rucksack und deutete auf die Tür.
»Vorerst können Sie gehen.«
    Kai Rokke schluckte.
»Wollen Sie gar nicht mehr wissen, was nun mit dem Stein war?«
    »Was war mit dem
Stein?«
    Er schob seinen
Stuhl nach hinten und stand ebenfalls auf. Judith Bleuler war eine große Frau.
Trotzdem hätte er problemlos sein Kinn auf ihrem Kopf abstützen können. Er
grinste. Dieses Bild mochte er. Er ging zur Tür und öffnete sie.
    »Der Stein hätte Sie
treffen können. Das gefiel mir nicht.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, trat er
auf den Flur hinaus und ging den Gang hinunter. Vor der Glastür stoppte er und
drehte sich noch einmal um, in der Hoffnung, ihr noch einen Abschiedsgruß
zunicken zu können. Aber außer einem blassen, gerahmten Foto an der Wand war
nichts und niemand mehr zu sehen.
    ***
    »Verdammt!« Hansen
blickte in die Runde. Wir

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