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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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Aber keiner von denen hat Randale gemacht. Ganz
sicher nicht.«
    »Du hast es noch
nicht gehört?«
    »Was?«, fragte sie
irritiert.
    »Regina. Sie ist
tot. Wir haben sie heute in der Früh am Wehr gefunden. Sie ist ertrunken.«
    Andrea schlug sich
die Hand vor den Mund. »Oh mein Gott.« Sie schluckte und starrte mich an. Es
dauerte eine Weile, bis sie sich wieder rührte. »Was ist passiert? Hatte sie
einen Unfall?«
    »So wie es aussieht,
hat sie sich das Leben genommen«, gab ich leise zurück.
    Andrea saugte ihre
Unterlippe ein und biss darauf herum. Tränen schossen in ihre Augen.
    »Ich habe ihren
Abschiedsbrief gelesen. Sie muss sehr einsam und unglücklich gewesen sein.« Ich
senkte den Blick. »Mir ist es nicht aufgefallen. Ich habe nicht darauf
geachtet. Leider«, ergänzte ich und spürte, wie der Ärger über mich selbst
wieder in mir hochstieg.
    »Nein, das kann
nicht sein.« Andrea schob ihren Stuhl wieder zurück, blieb aber sitzen. Sie
wischte sich mit dem Handrücken über die Wange.
    »Es ist aber so«,
erwiderte ich. »Sie sah keinen Ausweg und keine Perspektive für sich. Keine
Familie, keine Aufgabe. Nichts.«
    »Doch, sie hatte
eine Aufgabe«, widersprach Andrea mit einer Mischung aus Trauer und Trotz. »Sie
war sehr aktiv in unserer Aktionsgruppe und nahm an einem Rangerlehrgang teil.
Sie wollte ab dem Sommer Waldführungen für Kinder durchführen. Und außerdem«,
Andrea breitete ihre Arme aus und lächelte ein schiefes Lächeln, »war sie
verliebt.«
    »In wen?«
    »Das hat sie mir
nicht gesagt.«
    »Woher weißt du das
alles?«
    »Weil ich mit ihr
gesprochen habe. Weil ich sie seit unserer Zusammenarbeit in der Gruppe in
letzter Zeit immer besser kennengelernt habe.« Andrea schob ihre Finger
ineinander. »Sie hat sich nicht umgebracht.«
    »Sie hat den Brief
geschrieben. Es ist ihre Handschrift. Das konnten wir überprüfen.«
    »Aber sie hat sich
auf keinen Fall umgebracht!«
    »Warum sollte sie
den Brief denn dann dabeigehabt haben?«
    Andrea runzelte die
Stirn und dachte nach. Ein Ausdruck von Trauer und von etwas anderem, das ich
nicht deuten konnte, huschte über ihre Züge, kurz nur, wie eine Erinnerung.
Dann war er wieder verschwunden. »Was genau stand in dem Brief?«
    »Das darf ich dir
nicht sagen.«
    Andrea neigte den
Kopf zur Seite. »Ist sie in der Urft gestorben?«
    »Wir müssen die Obduktion
noch abwarten.«
    Andrea wurde still.
Aus ihrem Körper wich jede Spannung.
    Als sie wieder
sprach, konnte ich die Enge in ihrer Kehle hören. »Sie war eine gute Freundin,
Ina. Ich kenne sie, seit wir Kinder waren. Sie, Birgit und ich, wir waren
damals unzertrennlich. Das hat sich zwar verloren, aber in den letzten Monaten …«
    »War deine Schwester
denn noch mit Regina befreundet?«
    »Freundschaft würde
ich es nicht nennen, aber sie hatten miteinander zu tun. Du musst sie selber
fragen. Ich kann dir nur wenig dazu sagen. Regina hat mit mir nie über Birgit
gesprochen.«
    »Hat Birgit denn mit
dir über Regina geredet?«
    Andrea lachte
trocken. Das war Antwort genug. Ich wusste um Andreas Verhältnis zu ihrer
Zwillingsschwester. So ähnlich sich die beiden in ihrem Äußern waren, so
verschieden waren ihre Charaktere. Die Nobelvilla, in der Birgit und ihr Mann
Frank lebten, hätte ebenso im Kölner Hahnwald stehen können. Nicht unbedingt
schön, aber alles nur vom Feinsten. Der Wert eines einzigen von Birgits
Möbelstücken lag vermutlich über dem Wert von Andreas kompletter
Wohnungseinrichtung, aber ihr war das egal. Materielle Werte waren nicht nur
unwichtig, sie verdarben in ihren Augen auch den Charakter. Und selbst zu
Henrike, Andreas zwölfjähriger Tochter, hatte ich als Patentante über die Jahre
ein besseres Verhältnis aufgebaut als Birgit.
    »Regina hat sich
nicht umgebracht«, sagte Andrea.
    »Dann war es ein
Unfall.«
    »Vielleicht.« Sie
ballte die Fäuste. »Vielleicht aber auch nicht.«
    »Also kein
Selbstmord und kein Unfall. Was dann?«
    »Du bist von der
Mordkommission, Ina.«
    »Bin ich nicht.
Nicht mehr.«
    »Hast du mit deiner
Stelle denn auch deinen Instinkt abgegeben?«
    »Unsinn.«
    »Dann glaub mir doch
einfach.« Sie betonte jedes Wort: »Es. War. Kein. Selbstmord.«
    Ich betrachtete sie.
Was war, wenn sie richtiglag? Wenn es kein Selbstmord und kein Unfall war? Ich
würde mit Hansen sprechen müssen. Oder mit Sauerbier, dem Kommissar der für uns
zuständigen Bonner Mordkommission.
    »In Ordnung. Ich
werde meinen Vorgesetzten von deinem Zweifel

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