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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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Wochen geplant
und seine Absichten mit keinem Wort erwähnt, und das nahm ich ihm übel.
    »Ich wollte nicht
reden. Ich wollte entscheiden.«
    »Hattest du Angst,
ich könnte dich von deiner Entscheidung abbringen? Bist du dir doch nicht so
sicher?«
    Er stand auf und
stützte sich mit einer Hand auf der Tischplatte ab. Falten und bräunliche
Flecken überzogen seinen Handrücken. Sie mussten sich schon vor längerer Zeit
dort eingeschlichen haben, aber jetzt fielen sie mir zum ersten Mal auf.
    Hermann zögerte die
eine Sekunde zu lange, die ihn Lügen strafte. »Doch. Ich bin mir sicher.«
    ***
    Die ganze Aktion
war schwachsinnig gewesen.
    Nach dem Verhör
hatte ihn ein junger, schweigsamer Kollege von Judith Bleuler nach Gemünd zu
seinem Wohnmobil auf dem Marienplatz gebracht. Aber anstatt einfach die Tür
hinter sich zu schließen und den Wohnmobilhafen anzulaufen, war er wieder
hierhergefahren, ohne genau zu wissen, warum. Was sollte er jetzt tun? Judith
Bleuler hatte gesagt, sie würde sich nach der »Lydia« erkundigen. Das hieß erst
einmal gar nichts. Kai Rokke hatte keine Ahnung von den Abläufen bei der
Polizei, wie und wann solche Dinge erledigt wurden, war sich aber sicher, dass
der Sonntag nicht der Tag war, an dem Untersuchungen wie die an seiner »Lydia«
mit großer Eile vorangetrieben wurden. Er saß vorgebeugt hinter dem Lenkrad des
Wohnmobils, hielt den Zündschlüssel umklammert und konnte sich nicht
entschließen, ihn umzudrehen. Sie würde ihn sicher anrufen, wenn sie mehr
Informationen hatte oder wollte. Er würde abwarten müssen. Sein Magen knurrte.
Wie immer hatte er den ganzen Tag noch nichts gegessen. Es wurde Zeit für die
täglichen Nudeln mit Parmesankäse. Er überlegte kurz, gleich hier auf dem
Parkplatz vor der Polizeistation den Herd anzuschalten, entschied sich aber
dagegen.
    Er ließ den Wagen an
und fuhr vom Parkplatz auf die Straße in Richtung Gemünd, zurück zum
Wohnmobilpark. Nach wenigen Metern stutzte er. War das eine Imbissbude auf der
linken Seite gewesen? Er sah in den Rückspiegel. So wie es aussah, hatte sie
geöffnet. Hinter einer lang gestreckten Kurve lenkte er den Wagen auf eine
Nebenspur, wendete und stand nach fünf Minuten vor der Tür der Imbissbude. Der
Geruch nach warmem Frittierfett schwappte jedes Mal wie eine Welle aus dem Haus
nach draußen, wenn sie sich öffnete. Kai Rokke mochte keine Pommes, und
Currywurst kam erst recht nicht in Frage, aber aus einem Grund, den er nicht
nachvollziehen konnte, hatte er auf einmal den Geschmack von Ketchup auf der
Zunge, und die Vorstellung, zuerst Ketchup über seine Nudeln zu gießen und
danach den Parmesankäse darüberzureiben, gefiel ihm. Mehr noch: Jetzt musste es
der Ketchup sein. Unbedingt. Er wunderte sich über die Blicke der beiden
Besucher und der Wirtin, die ihn bei seinem Eintritt lange ansahen, bis ihm
wieder einfiel, wie er mit seiner zerschlagenen Nase aussehen musste. Er
lächelte höflich und trug seine Bitte vor, die ihm neben dem Gewünschten noch
mehr Misstrauen einbrachte. Er bezahlte, nahm das in Alufolie eingepackte
Schälchen und ging zu seinem Wohnmobil. Ein langer Sonntagabend erwartete ihn.
Viel Zeit, um sich an sein ungewohntes Verhalten zu gewöhnen. Ketchup. Er
lächelte. Wer hätte das gedacht?
    Das Nudelwasser
zischte leise, als es über den Topfrand spritzte und in der offenen Gasflamme
verdampfte. Die Tür des Wohnmobils stand offen. Kai Rokke saß draußen auf den
Stufen, rauchte und dachte nach. Sie machte keinen Sinn, die Sache mit ihm und
Judith, die gar keine Sache war, außer in seinem Kopf. Er wünschte sich, dass
sie ihn genauso interessant fand wie er sie, und dabei blieb es. Bei einem
Wunsch. Was sollte sie auch an ihm finden? Er sah an sich herab. Die Jeans war
mittlerweile trocken, fühlte sich aber trotzdem schmuddelig an. Die Schuhe
waren schon vor seinem Bad in der Urft nicht mehr ansehnlich gewesen. Das
Wohnmobil war sein Zuhause, wenn man von der kleinen Wohnung in Aachen absah,
die er seit seiner Studentenzeit hatte, damit er eine Meldeadresse vorweisen
konnte. Gewohnt hatte er dort schon seit Monaten nicht mehr.
    Er drückte die Zigarette
am Metallrand seiner Einstiegstreppe aus, stand auf und ging die drei Stufen
hinauf. Er musste der Tatsache ins Auge sehen, dass er ein zwei Meter großer
heimatloser Nerd war, der außer seiner »Lydia« so schnell keine Frau würde
begeistern können.
    »Auch egal«,
murmelte er und war sich darüber im Klaren, dass es ihm

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